Weniger Tempo, weniger Tote

ENTSCHLEUNIGUNG Die Grünen wollen Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in den Städten. In Brüssel haben die deutschen EU-Parlamentarier geschlossen zugestimmt – sogar die der CDU

„Uns ist bewusst, welche Vorbehalte es gegen Tempo 30 gibt.“

Ralf Saxe, Grüne

Auf 65 Prozent der stadtbremischen Straßen gilt derzeit Tempo 30. Nach dem Willen der Grünen soll diese Geschwindigkeitsbegrenzung flächendeckend gelten. „Dabei geht es uns in erster Linie um Unfallvermeidung“, sagt der Bürgerschafts-Abgeordnete Ralph Saxe, der bei den Grünen für Verkehrspolitik zuständig ist. Weitere Ziele: Lärmreduzierung und CO2-Minderung.

Saxes Vorstellung zu Folge soll es Ausnahmen für „sichere Hauptverkehrsstraßen und die Hauptrouten der Wirtschaftsverkehre“ geben, etwa die Kurfürstenallee oder die Nordstraße. Nicht aber ebenfalls stark befahrene innerstädtische Straßen wie Martini-, Graf Moltke- und St. Jürgen-Straße. Nicht Tempo 50, sondern Tempo 30 soll das Normaltempo sein – Abweichungen nach oben wären die Ausnahme.

Michael Cramer, Saxes Pendant auf Europa-Ebene, hat dort kürzlich einen überraschenden Erfolg in Sachen Tempo 30 eingefahren: Alle seine deutschen Abgeordneten-Kollegen im Europäischen Parlament – auch die christdemokratischen – votierten in einer „nachdrücklichen Empfehlung“ für Tempo 30 in Europas Städten.

Ob das die CDU vor Ort beeindruckt? „Jedenfalls können Sie die Argumente dann nicht mehr so leicht abtun“, hofft Saxe. Zum Beispiel die Zahlen der Verkehrswacht: Die Umstellung von Tempo 50 auf Tempo 30 verringere die Todeswahrscheinlichkeit von unfallbeteiligten Fußgängern und Radfahrern von 80 auf zehn Prozent. Technischer Grund: Der Bremsweg halbiert sich auf 14 Meter, entsprechend geringer ist die Aufprallwucht. 2011 starben auf den Bremer Straßen 15 Menschen – ausschließlich Nicht-Motorisierte.

In Sachen Co2-Einsparung rechnen die Experten allerdings lediglich mit 12 Prozent Reduktion. Der Verkehrslärm hingegen verringere sich bei einer flächendeckenden Tempo 30-Einführung deutlich – auf Kopfsteinpflaster rechnen Experten mit einer Lärm-Halbierung. Entscheidend ist dabei nicht der Motorlärm, sondern die Abroll-Geräusche der Räder.

Wie aber steht es mit dem Zeitverlust der Verkehrsteilnehmer? Der betrage zehn bis 20 Sekunden pro Kilometer, sagt Cramer. Da laut Bundesverkehrsministerium 90 Prozent aller innerstädtischen Fahrten maximal sechs Kilometer lang sind, ergäbe das eine zeitlichen Mehraufwand von jeweils ein bis zwei Minuten.

„Uns ist bewusst, welche Vorbehalte es gegen Tempo 30 gibt“, sagt Saxe – Befürchtungen um den Wirtschaftsstandort, Abneigung gegen „Gängelung“. Deswegen hoffen die Bremer Grüne auf europäischen Rückenwind – nicht nur durch den fraktionsübergreifenden Beschluss des Europäischen Parlaments, sondern auch durch einen Bürgerentscheid, für den nun auch in Bremen Unterschriften gesammelt werden. Eine öffentliche Diskussion mit Michael Cramer findet am Donnerstag um 20 Uhr im Alten Fundamt statt. HB