: Zum Dank eine Kasperklatsche
720 Euro muss ein Motorbootfahrer zahlen, weil er an Bord gesoffen hat, kenterte – und seinem Retter eine Ohrfeige verpasste
Bremen taz ■ Christian W. erscheint ohne Anwalt vor Gericht, auch auf den Sonntagsanzug hat er verzichtet. Blue Jeans und ein Pulli, dazu Turnschuhe. Das muss reichen. Aber schließlich will der 27-jährige Angeklagte auch nicht dastehen wie einer, der ein teures Rennboot sein eigen nennt. Sondern wie einer, der kein Geld hat. Kein Geld, um 3.600 Euro Strafe zu bezahlen. Wegen Körperverletzung und Trunkenheit im Schiffsverkehr.
Ein halbes Jahr ist es her, da dümpelte Christian W. mit seinem Sportboot auf der Weser, irgendwo bei Achim am Flusskilometer 340. Ein Kollege saß auch mit an Bord, und gemeinsam sprach man kräftig dem Alkohol zu. Mehr als 2,3 Promille wird der Arzt später im Blut des Freizeitkapitäns feststellen. Juristen halten das für eine „erheblich verminderte Schuldfähigkeit“.
Kurze Zeit später trieben die beiden kieloben – und der vorbeifahrende Familienvater Martin N. soll Schuld gewesen sein. Genauer gesagt: die Heckwellen seines kleinen Motorbootes. „Das Boot fing an zu sinken“, beschreibt der 44-Jährige in dramatischen Worten die Szene, da habe er natürlich sofort kehrt gemacht und den im Wasser treibenden Freund des W. ans rettende Ufer gebracht. Der Bootsbesitzer selbst hingegen wollte sich nicht so recht helfen lassen, schon gar nicht vom vermeintlich Schuldigen.
Was dann passiert, daran kann sich W. heute nicht mehr so genau erinnern. Das sei aber auch zu viel verlangt, findet er – „jetzt mal ehrlich“. Jedenfalls sind die beiden Herren in Streit geraten. „Und dann hab ich ihm eine gelangt“, erzählt W. und zuckt dabei mit den Schultern. Eine „Kasperklatsche“ nennt er das, zeigt sich aber sogleich als reuiger Sünder: „Das ist nicht korrekt gewesen.“ Doch 3.600 Euro Strafe wegen einer Backpfeife, das sei jetzt „ein bisschen sehr viel“, findet W. Und so hat er Widerspruch gegen den Strafbefehl des Gerichts eingelegt. Zwar ist W. Maler, Trockenbauer und Gabelstaplerfahrer. Aber arbeitslos.
Und überhaupt – zahlt er gerade noch ein andere Geldstrafe ab, wegen Körperverletzung. Beim Blick in sein Strafregister findet Amtsrichter Hans Ahlers zehn Eintragungen – diverse Diebstähle und Körperverletzungen, auch wegen Fahrens ohne Führerschein haben sie ihn schon ein paar Mal dran gekriegt.
Staatsanwältin Antje Kück will ihn deshalb so schnell nicht davon kommen lassen, 90 Tagessätze müssten es schon sein. Am Ende einigt man sich auf 720 Euro Geldstrafe. „Das ist okay so“, willigt der Angeklagte ein. Um dann über die Erstattung seiner Fahrtkosten zu verhandeln. Und dann ist da ja noch sein kaputtes Rennboot. „Es ist alles hin“, der Motor, die Stereoanlage, das Funkgerät, einfach alles. Jetzt sitzt er auf dem Trockenen und der Motor steht im Keller.
Am Ende zeigt er sich milde. Nein, dem N. wolle er den Schaden nicht in Rechnung stellen. Doch die Fahrtkosten, die müssten doch wenigstens drin sein.
Jan Zier