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Archiv-Artikel

Lehrer dürfen heute streiken

SCHULEN Per Gericht wollte Finanzsenator Nußbaum den heute geplanten Streik angestellter Lehrkräfte verhindern. Doch das Arbeitsgericht gab der Gewerkschaft recht. Abitur- und MSA-Prüfungen sollen dennoch stattfinden

„Wir rechnen damit, dass der Finanzsenator jetzt auf uns zukommt“

TOM ERDMANN, GEW BERLIN

Es war offenbar eine knifflige Entscheidung, die das Berliner Arbeitsgericht am Montag treffen musste. Eine Stunde war für die Verhandlung zunächst angesetzt. Doch es dauerte dann fast vier Stunden, bis das Ergebnis verkündet wurde: Berlins angestellte LehrerInnen dürfen heute streiken.

Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) hatte den ganztägigen Warnstreik, den die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) angekündigt hatte, mit einer einstweiligen Verfügung verhindern wollen. Ein Streik an einem Tag, an dem schriftliche Prüfungen für das Abitur und den Mittleren Schulabschluss anstehen, sei „fragwürdig“ und verstoße gegen die Friedenspflicht, so Nußbaum am Montag.

Tatsächlich hatte es erst im März bundesweite Tarifverhandlungen zwischen Ver.di, der GEW und der Tarifgemeinschaft der Länder (TDL) gegeben. Dem Tarifabschluss, der den angestellten LehrerInnen in Berlin eine mehrstufige Lohnerhöhung von 6,78 Prozent bis zum Jahresbeginn 2014 einbringt, hatten bundesweit über 78 Prozent der GEW-Mitglieder zugestimmt.

Mit dem neuen Streik will die GEW den Senator dazu zwingen, Gespräche über eine Vergütungsordnung für angestellte Lehrkräfte aufzunehmen. In dieser Frage konnte bei den bundesweiten Verhandlungen keine Einigung gefunden werden. Die GEW fordert einen Tarifvertrag, der angestellte LehrerInnen gegenüber verbeamteten nicht benachteiligt. Der Finanzsenator kontert, er gruppiere Berufsanfänger bereits gehaltsmäßig in die höchstmögliche „Erfahrungsstufe 5“ ein und bezahle angestellte Lehrkräfte damit besser als alle anderen Bundesländer.

Etwa 8.000 der knapp 30.000 Berliner Lehrkräfte sind Angestellte. Seit 2004 werden LehrerInnen nicht mehr verbeamtet. Das Einstiegsgehalt liegt bei 4.700 Euro brutto. Die Frage der tariflichen Einstufung ist laut Finanzsenator „einheitlich auf Bundesebene zu verhandeln“: Schließlich habe gerade die GEW die Rückkehr Berlins in den Flächentarifvertrag der TDL lange gefordert.

Die GEW sieht das anders: Es gebe „Möglichkeiten für länderspezifische Regelungen, die es in einigen Bundesländern ja auch gibt“, sagt der Sprecher der Berliner GEW, Tom Erdmann. „Wir rechnen damit, dass der Finanzsenator jetzt auf uns zukommt.“ Nußbaum selbst wollte nach dem Urteil keine Stellungnahme abgeben. Abi- und MSA-Prüfungen sollen heute trotz Streik stattfinden; das hatte die GEW in ihrem Streikbeschluss versprochen. Sie rechnet mit rund 1.000 streikenden Lehrkräften.

ALKE WIERTH