Neue Hartz-IV-Proteste : Der Dreiklang funktioniert
Es mag albern klingen, einen Neuköllner Möbelpacker im Treppenhaus in eine Kissenschlacht zu verwickeln. Mehr noch: Wahrscheinlich ist es auch gefährlich. Mit Ideen wie dieser wollen die Hartz-IV-Gegner im neuen Jahr ihren Kampf gegen die verhasste Arbeitsmarktreform aufmöbeln. Auch wenn die Abwehrstrategien erst mal gaga klingen, sind sie doch alles andere als dumm.
Kommentar von ULRICH SCHULTE
Im Dreiklang – Demo, Polit-Ereignis und ziviler Ungehorsam – übernimmt jede Protestform eine andere Aufgabe. Die Montagsdemo, der Klassiker, taugt als Selbstvergewisserungs- und Kommunikationsmittel der Szene. Nach zwölf Monaten Protest gehen in Berlin nur noch die üblichen Verdächtigen wöchentlich auf die Straße. Die Großdemonstration kann da wie eine Aufputschspritze wirken. Sie mobilisiert die Menschen, bringt Inhalte in die Zeitungen und lässt Politiker am ehesten innehalten.
Dann kommen die Polit-Ereignisse. Wenn in Bonn Aktivisten um fünf Uhr morgens dem Exwirtschaftsminister Clement einen Hausbesuch abstatten, wenn in Berlin Protestler das Borchardt stürmen, zeigt das: Die Initiativen haben die Mechanismen der Mediengesellschaft verstanden – und spielen mit ihnen.
Die Kissenschlacht schließlich wird die Ausnahme im Dreier-Pack bleiben. So heilsam die Erfahrung von Solidarität für manchen Arbeitslosen wäre und so wichtig das Öffentlichmachen der Gesetzesfolgen im privaten Raum: Nur eine klitzekleine Minderheit wird die Auseinandersetzung mit Behörden in einer rechtlichen Grauzone austragen. Zumal die Reform die Betroffenen am härtesten trifft, die Familie und den Großteil des Erwerbslebens hinter sich haben. Die Ankündigung der Hartz-IV-Gegner zielt also vor allem aufs Medienecho. Es hat funktioniert.