LESERINNENBRIEFE
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Unterschiedlicher könnten die zahlreichen Reaktionen kaum sein: Das Fortbestehen von Gesetzen, die zwischen 1933 und 1945 in Kraft traten, war das erste Schwerpunkt-Thema der neuen Wochenend-Ausgabe der taz.nord. Es führte zu engagierten Diskussionen. Während ein Teil unserer LeserInnen die Themensetzung komplett unsinnig findet – „ein Gesetz kann gut oder schlecht sein, egal aus welcher Zeit es kommt“ –, weisen andere auf weitere ärgerliche Rechtskomplexe hin, die wir von NS-Juristen „geerbt“ haben. Und wieder andere freuen sich über den 1. Mai als gesetzlichen Feiertag – der er seit 1933 ist.

Für Eberhard Schmidt-Elsaeßer, seit 2012 Justiz-Staatssekretär in Schleswig-Holstein, ist die Sache klar – auch auf prinzipieller Ebene: „Es ist nicht opportun, dass die Rechtsprechung mit Vorschriften arbeitet, die während der NS-Herrschaft entstanden sind.“ Auf seine Initiative hin befassen sich jetzt die Justiz-Staatssekretäre aller Bundesländer mit dem Thema. Schmidt-Elsaeßer: „Ich erwarte, dass auch der Bund diese Vorschriften durchprüft.“  HB

Fracking mit NS-Bergrecht

■ betr.: „Wo Adolf noch regiert“, taz.nord vom 20. 4. 13

Eine klassische Nazi-Schöpfung ist auch das deutsche Bergrecht, weil dort die Bergbehörden (die wiederum den Wirtschaftsministerien unterstehen) alleine über die Genehmigung von Bergbauprojekten entscheiden können – und so der damals kriegswichtige Wirtschaftszweig freie Bahn hatte.

Dass Umweltbehörden oder gar andere demokratische Gremien dabei nichts zu melden haben ist offenbar lange Zeit gar nicht groß aufgefallen – jetzt aber zerstören beim Thema Fracking die autoritären Strukturen den letzten Rest von Vertrauen darin, dass sich diese heikle Technologie durch ein transparentes und demokratisches Verfahren beherrschen ließe.

Jochen, taz.de

Nicht von Adolf, von Gerhard!

■ betr.: „Wo Adolf noch regiert“, taz.nord vom 20. 4. 13

Der Paragraf 316a aus dem Strafgesetzbuch („Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer“) ist ebenfalls aus der Zeit des Nationalsozialismus. Da kamen ja die Autos langsam hoch ... Soll das Gesetz also abgeschafft werden?

Und am Besten dann inhaltlich neu erlassen mit demselben Inhalt. Und schwupps ist es kein Nazi-Gesetz mehr.

Ich verstehe den Sinn des Artikels nur bedingt ... wenn ein Gesetz schlecht ist, gehört es geändert, und wenn ein Gesetz gut ist, gehört es beibehalten.

Die Überarbeitung der Hartz IV-Gesetze (zum Beispiel bei der Zumutbarkeitsreglung in Paragraf 10 des Sozialgesetzbuches II) halte ich für wesentlich dringlicher als Lottospiel-Reglungen. Und das Gesetz kam nicht von Adolf, sondern von Gerhard.

viccy, taz.de

Nur Gesetze, die Euch nicht passen

■ betr.: „Wo Adolf noch regiert“, taz.nord vom 20. 4. 13

Dasss der Altonaer Bürgermeister nichts zu sagen hat, ist zuallererst Ergebnis des Groß-Hamburg-Gesetzes (...) Cuxhaven, Ahrensburg, Geesthacht zurück nach Hamburg! Harburg, Eimsbüttel, Altona zurück nach Preußen! Solange Ihr von Gesetzen der Nazizeit, die fortwirken, nur die aussucht, die Euch nicht passen, ohne die zu erwähnen, die Ihr nicht abschaffen wollt, seid Ihr intellektuell unehrlich!

Malte. taz.de

Wahnhaft

■ betr.: „Wo Adolf noch regiert“, taz.nord vom 20. 4. 13

Entweder ein Gesetz ist gut, dann bleibt es, oder es muss geändert werden. Alles andere ist Bewältigungswahn.

Georg, taz.de

Namensgesetz

■ betr.: „Wo Adolf noch regiert“, taz.nord vom 20. 4. 13

Nicht zu vergessen das restriktive Namensänderungsgesetz. Wobei „immerhin“ die Zwangsnamensänderungen (für Juden) daraus eliminiert wurden.

Hannah, taz.de

Behinderte Initiativen

■ betr.: „Wo Adolf noch regiert“, taz.nord vom 20. 4. 13

Ihr habt das Rechtsberatungsgesetz nicht erwähnt, dass die Nazis 1935 eingeführt haben. Wegen diesem Gesetz müssen Initiativen wie Gewerkschaften, Mietervereine, oder Arbeitslosen-Initiativen, häufig Rechtsanwälte einstellen, damit sie sich nicht der unerlaubten Rechtsberatung schuldig machen. Das Rechtsberatungsgesetz verteuert darum die Arbeit dieser Initiativen, und behindert die Selbstorganisation einfacher Menschen.

Eike, taz.de

Führerprinzip in der Wirtschaft

■ betr.: „Wo Adolf noch regiert“, taz.nord vom 20. 4. 13

Ihr habt das Aktienrecht vergessen. Mit dem Aktienrecht wollten die Nationalsozialisten das „Führerprinzip“ in der Wirtschaft verankern. Vorstände von Aktiengesellschaften haben im operativen Bereich dadurch im Grunde Narrenfreiheit. Sie können allenfalls abberufen werden.

deGrabb, taz.de

Gefährliche Radwegepflicht

■ betr.: „Wo Adolf noch regiert“, taz.nord vom 20. 4. 13

Die aus dem Jahr 1937 stammende Radwegebenutzungspflicht, die für entsprechend beschilderte Wege immer noch gilt, fehlt in der Aufzählung. (...) Es wird Zeit, dass auch die Reste dieser Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit endlich verschwinden!

flueggus, taz.de