Musical-Boom im Norden

In Hamburg plant der dortige deutsche Marktführer Stage Entertainment eine vierte Musicalhalle mit 2.000 Plätzen. Und auch das Theater in Bremen scheint für Investoren wieder interessant zu sein

von Daniel Wiese

Zu den Dingen, von denen es nie genug geben kann, zählen offenbar: Musicals. Als wären drei Spielstätten in Hamburg nicht genug, gab der deutsche Marktführer, die Stage Entertainment, rechtzeitig vor Weihnachten bekannt, sie plane in Hamburg ein viertes Musicaltheater. Bisher gibt es schon das eigens am Hafen errichtete Zelt mit 2.000 Plätzen, wo nun im vierten Jahr die Disney-Adaption „König der Löwen“ läuft. Das vollverglaste Operettenhaus auf der Reeperbahn (1.400 Plätze) spielt bis zum Abwinken das ABBA-Musical „Mamma Mia“, und dann wäre da noch die Neue Flora, wieder mit 2.000 Plätzen und ebenfalls in zentraler Lage, wo im März „Dirty Dancing“ anlaufen soll.

Unter 2.000 Plätzen wird es auch die vierte Spielstätte nicht machen, mit der Hamburg endgültig zur „Musicalhauptstadt Deutschlands“ werden soll. Die Idee ist, Touristen anzuziehen, „und da haben Sie in Hamburg wie in Berlin und München ganz andere Bewegungen“, sagt Michael Hildebrandt, der Sprecher der Stage Entertainment. Ganz andere als zum Beispiel in Bremen, wo die Stage Holding vor zwei Jahren den geplanten Einstieg beim Musical-Theater wieder abblies.

Es habe einen „Strategiewechsel“ gegeben, hieß es damals aus der Hamburger Konzernzentrale. Als Spielstätte sei man an Bremen immer noch interessiert, nur die Programmverantwortung wolle man doch nicht übernehmen. Der Stadt Bremen blieb nichts anderes übrig, als das teuer umgebaute Theater (1.500 Plätze) in Eigenregie zu betreiben – offenbar gar nicht so erfolglos, wie sich jetzt zeigt.

„Auf die Idee, sich überhaupt zu interessieren, wäre man sonst nicht gekommen“, lobt die Musical-Produzentin Andrea Friedrichs das Bremer Musical-Theater, das seinen Spielplan radikal auf Gastspiele umgestellt hatten. Friedrichs ist derzeit in Verhandlungen mit der Stadt (taz berichtete), und sie scheint wild entschlossen, das Bremer Theater zu übernehmen. Ihre eigene Produktion „Robin Hood“, die in Bremer Premiere hatte, läuft derzeit sehr erfolgreich, trotzdem möchte auch Friedrichs künftig auf Gastspiele setzen, „drei bis fünf Monate Spielzeit maximal“.

Unterstützung erhofft sie sich dabei von ihrem Standbein, dem Deutschen Theater in München („Aida“). „Ich glaube, wenn man zwei Häuser bespielen kann, hat man mehr Möglichkeiten“, sagt Friedrichs. Man könne erst in einem Haus sehen, was läuft, und das Stück dann ins andere Haus übernehmen. Oder eben nicht. „Da kann man richtig was draus machen.“

Nach demselben Prinzip arbeitet der Branchenführer Stage Entertainment schon längst, nur eben in viel größerem Stil als Andrea Friedrichs und ihre Produktionsfirma „La Belle Musical“. Bis vor kurzem galten Friedrichs und ihre Partner Thomas Krauth in der Musicalszene als einzig verbliebenes Gegengewicht zur Stage Entertainment, zusammen produzierten sie den sehr erfolgreichen „Starlight Express“ in Bochum.

Inzwischen haben sich die beiden getrennt, Friedrichs tritt alleine an. Und muss es sich gefallen lassen, dass ihr der Branchenprimus auf die Schulter klopft. „Ich glaube“, sagt Stage Entertainment-Sprecher Hildebrandt, „das war eine kalkulierte Entscheidung. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es ein sehr schönes Theater ist.“