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Archiv-Artikel

Der schwierige Weg zum „Zertifikat Deutsch“

Seit einem Jahr werden für Migranten Integrationskurse nach dem Zuwanderungsgesetz angeboten

„Guten Tag“ und „Deutschland“ – mehr Deutsch konnte Samia Majid nicht, als sie nach Hamburg kam. Wegen ihrer Kinder lernte die 34-jährige Frau aus Afghanistan zuerst nur zu Hause. „Ich habe Nachrichten und Kinderfilme geschaut, um neue Wörter zu lernen“, erzählt sie. Inzwischen sind ihre drei Kinder in der Schule oder im Kindergarten. Majid hat erfolgreich einen Integrationskurs der Volkshochschule absolviert.

110.000 Migranten haben 2005 bundesweit einen so genannten Integrationskurs nach dem neuen Zuwanderungsgesetz besucht. Davon seien 60 Prozent Frauen, sagt Felizitas Graute vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg: „Das finden wir sehr erfreulich, denn das ist eine wichtige Zielgruppe.“ 70 Prozent der Teilnehmer, so Graute, haben die Abschlussprüfung bestanden. Eine Bilanz möchte sie aber noch nicht ziehen, zumal die Kurse bis 2007 evaluiert werden sollen.

Eine Zulassung für den 600-stündigen Sprach- sowie den 30-stündigen Orientierungskurs mit den Themen Politik, Recht und Kultur in Deutschland haben insgesamt sogar 200.000 Migranten erhalten. Sie gelte aber bis zu zwei Jahren, nicht alle hätten sofort einen Kurs belegt, erkläutert Graute. Gut die Hälfte entfalle auf freiwillige Anträge von Migranten, die schon länger in der Bundesrepublik leben. Rund 17.000 seien von den Ausländerbehörden verpflichtet worden, oft auf Anregung der Arbeitsagenturen. Wer dann nicht teilnimmt oder einen begonnenen Kurs abbricht, müsse, so Graute, mit Schwierigkeiten bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, eventuell auch Kürzungen bei den Sozialleistungen rechnen.

Von derlei Sanktionen hat Wolfgang Haeger, Sprachkurskoordinator bei der Arbeiterwohlfahrt Hamburg, noch nichts gehört. „Der Zulauf ist rege“, sagt Haeger. Ein großes Problem sei aber, dass es für spezielle Gruppen keine Konzepte des Bundesamts gebe. „Viele fallen durch das Raster“, so Haeger, etwa Spätaussiedler mit deutschem Pass. Auch sei der „hochwertige Abschluss“ nicht mit 630 Unterrichtsstunden zu schaffen, zumal manche Kursteilnehmer in ihrer früheren Heimat nur zwei, drei Jahre lang eine Schule besucht hätten.

Aus den Volkshochschulen kommt allerdings die Klage, der Sprachkurs sei ein Verwaltungsakt geworden. Die Lehrkräfte seien ein verlängerter Arm der Behörden: Es müssten Anträge gestellt, Kurse abgerechnet, Kursteilnehmer informiert und getestet, akribisch Teilnahmelisten geführt und alle Informationen an das Bundesamt weitergeleitet werden. Mittel für Mehrarbeit stünden jedoch nicht bereit.

Samia Majid immerhin hat vor kurzem die Abschlussprüfung „Zertifikat Deutsch“ bestanden. „Mit meinen Kindern spreche ich jetzt fast immer Deutsch“, erzählt sie. Nach einer Ausbildung will Majid, die in Indien zur Journalistin ausgebildet worden war, als Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft arbeiten. Anke Schwarzer, epd