„Winnie, zähl deine Ausländer“

Fußballbundesliga-Trainer mit Rechenschwäche können aufatmen: Ab kommender Saison dürfen sie beliebig viele Ausländer aufs Feld schicken. Vier Kicker aus dem Kader müssen allerdings in Beckenbauerland ausgebildet sein

BERLIN taz ■ Was haben die Fußball-Lehrer Christoph Daum, Otto Rehhagel und Winfried Schäfer gemeinsam? Nun ja, alle drei wollten oder sollten die Nachfolge von Rudi Völler als Bundestrainer übernehmen. Aber auch: Alle drei verdienten sich Hohn und Spott, weil sie einmal zum falschen Zeitpunkt den falschen Spieler eingewechselt hatten. In einer Bundesliga-Partie war der nichteuropäische Spieler bisher der größte Stolperstein für einwechselwillige Trainer. Mathematische Probleme dieser Art wird es in Zukunft nicht mehr geben. Die Ausländerbegrenzungen im deutschen Profifußball fallen auf Beschluss der Deutschen Fußball Liga (DFL) ab nächster Saison gänzlich weg.

Mit der Reform will die DFL mehr Rechts- und Planungssicherheit schaffen. Eine Schwemme ausländischer Spieler erwartet die DFL nicht. „Wir fürchten keine gravierenden Änderungen des Ausländeranteils in der Bundesliga“, sagt Christian Pfennig, Pressesprecher der DFL. Mehr Planungssicherheit haben dadurch auch die Trainer. Und: Legendäre Einwechselfehler wie den von Christoph Daum wird es künftig nicht mehr geben.

In der Saison 1992/93 zerstörte der frisch gebackene Meistertrainer des VfB Stuttgart mit einer einzigen Unachtsamkeit sein Renommee im Ländle wie ein Elefant das Porzellan. In der zweiten Runde der Champions League wechselte Daum gegen Leeds United regelwidrig den serbischen Nicht-EU-Ausländer Jovica Simanic ein. Die Stuttgarter sahen sich nach einem 3:0-Sieg im Hinspiel praktisch in der nächsten Runde, doch durch Daums Fauxpas wurde das Rückspiel am grünen Tisch mit 0:3 gewertet; im Entscheidungsspiel siegte Leeds mit 2:1, Daum mutierte vom Helden zur Lachnummer der Nation. Der Motivationskünstler erklärte: „Soll ich mich jetzt erschießen?“ – und viele Stuttgarter Fans beantworteten die Frage innerlich mit Ja. Nicht ganz so tragisch, aber ähnlich peinlich war der Wechselfehler von Otto Rehhagel beim 1. FC Kaiserslautern. In der Spielzeit 1998/99 ereilte König Otto im Bundesligaspiel gegen den VfL Bochum eine leichte Konzentrationsschwäche. Für den Dänen Michael Schjönberg wechselte er den Nigerianer Pascal Ojigwe ein. Auch hier stand somit ein Ausländer zu viel auf dem Feld. Dass Rehhagel seine Panne ein paar Minuten später korrigieren wollte und den Ägypter Hany Ramzy oscarreif vom Platz humpeln ließ, macht die Erinnerung nur umso schöner. Mit dem Auf-drei-Zählen hatte es auch KSC-Trainer Winnie Schäfer nicht so. Ausgerechnet am 13. Spieltag der Saison 95/96, einem 11. 11., wechselte Schäfer im Spiel gegen Bayer Leverkusen den russischen Stürmer Sergej Kiriakov ein – und schoss damit ein Eigentor. Dabei hatte der heimische Stadionsprecher noch verzweifelt gewarnt: „Winnie, zähl deine Ausländer!“ Schäfer versuchte zwar zügig mit der anschließenden Auswechselung des Schweizers Adrian Knup sein regelwidriges Tun auszubügeln, aber da war es schon längst zu spät.

Zum Glück für Daum, Rehhagel und Schäfer: All diese komplizierten Rechenspiele sind jetzt Schnee von gestern. Ab diesem Sommer könnte beispielsweise Leverkusen die komplette brasilianische Nationalmannschaft auf den Platz schicken – und nichts würde passieren.

Die neue Regelung stößt in der Bundesliga allgemein auf Begeisterung. Bayern-Manager Uli Hoeneß, einer der größten Befürworter der Änderung, sieht darin eine Stärkung der DFB-Vereine im europäischen Wettbewerb. Nachteil für deutsche Spieler befürchtet er nicht: „Ein guter deutscher Spieler setzt sich auch durch.“

Mit der gleichzeitig in die Statuten aufgenommenen „Local Player“-Regelung müssen zumindest die Bundesliga-Manager dennoch auf eine neue Quote achten. Ab der nächsten Saison muss jeder deutsche Profiverein vier Akteure im Kader haben, die bei einem deutschen Club ausgebildet wurden. Das bedeutet, dass diese im Alter zwischen 15 und 21 Jahren mindestens drei Spielzeiten bei einem solchen in die Lehre gegangen sein müssen.

Prinzipiell wird auch dieser Zwang zur Nachwuchsarbeit von der Liga positiv aufgenommen. „Das passt in unsere Philosophie und ist auch eine Wertschätzung für die Clubs mit guter Jugendarbeit“, sagt beispielsweise Mönchengladbachs Jugendchef Max Eberl. Die Borussia will in Zukunft etwa ein Drittel des Profikaders aus dem eigenen Nachwuchsbereich bestücken. Die Gefahr, dass sich die Jagd auf junge Nachwuchstalente weiter ausweiten könnte, sehen hingegen nur wenige Vereine. „Es ist mittlerweile ohnehin so, dass bis in die C-Jugend mit Verträgen gearbeitet wird. Das wird sich in Zukunft bestimmt weiter verstärken“, sagt Rolf Dohmen, Manager des Zweitligisten Karlsruher SC. Bleibt zu hoffen, das der „lokale“ Gedanke der Jugendförderung nicht zur Rekrutierung von immer jüngeren Nachwuchskickern aus aller Welt führt. CHRISTIAN MEYER,
CHRISTIAN ZINGEL