: Ein Teilsieg für Timoschenko
JUSTIZ Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt die Ukraine wegen der U-Haft für die ehemalige Oppositionsführerin. Doch nicht alle Vorwürfe wurden akzeptiert
VON CHRISTIAN RATH
FREIBURG taz | Die Ukraine hat die Rechte der damaligen Oppositionsführerin Julia Timoschenko verletzt. Die Anordnung von Untersuchungshaft im August 2011 war „ungesetzlich und willkürlich“. Das entschied am Dienstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Misshandlungsvorwürfe Timoschenkos hatten allerdings keinen Erfolg.
Julia Timoschenko war 2004 eine Anführerin der Orangenen Revolution der Ukraine und verdrängte dabei den damaligen und heutigen Präsidenten Wiktor Janukowitsch von der Macht. Später war sie mehrere Jahre Premierministerin. Janukowitsch gewann allerdings 2010 die Präsidentschaftswahlen gegen Timoschenko. Seitdem wird Timoschenko von der ukrainischen Justiz verfolgt. So wurde sie im Oktober 2011 wegen Amtsmissbrauchs beim Abschluss eines Gasvertrags zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Im Verfahren wegen der Gasverträge verhielt sich Timoschenko vor dem ukrainischen Gericht unkooperativ, um gegen die Anklage zu protestieren. Daraufhin ordnete der Richter Untersuchungshaft an, weil sie das Verfahren behindert und das Gericht verächtlich gemacht habe. Dies sei nach ukrainischem Recht jedoch kein zulässiger Grund für eine Untersuchungshaft, stellte jetzt der Straßburger Gerichtshof fest. Damit sei Timoschenkos Recht auf Freiheit verletzt worden.
Keinen Erfolg hatte Timoschenko jedoch in mehreren anderen Punkten. So hatte sie sich beschwert, dass sie im April 2012 bei der Verlegung in eine Klinik von Sicherheitskräften misshandelt worden sei. Als Beleg präsentierte sie blaue Flecken an Armen und Beinen. Die ukrainischen Behörden behaupteten jedoch, diese Flecken seien schon älter. Timoschenko verweigerte damals die Untersuchung durch einen ukrainischen Gerichtsmediziner, weil sie allen offiziellen Ärzten misstraut. Deshalb konnte nun der Straßburger Gerichtshof nicht feststellen, dass Timoschenko unmenschlich behandelt wurde. Dieser Teil des Urteils wurde allerdings nur mit 4 zu 3 Richterstimmen getroffen.
Timoschenkos Klage gegen ihre Haftbedingungen – Mangel an Tageslicht und Warmwasser, unzureichende ärztliche Betreuung – wurden einstimmig als unzulässig abgelehnt. Ihre Haftbedingungen und die medizinische Versorgung seien besser gewesen, als die anderer Untersuchungshäftlinge in der Ukraine.
Gegen das Urteil vom Dienstag, das von sieben EGMR-Richtern gesprochen wurde, können beide Seiten noch die Große EGMR-Kammer mit 17 Richtern anrufen.
Sollte das Urteil bestätigt werden, wäre dies kein Grund für eine Haftentlassung, denn Timoschenko sitzt jetzt nicht mehr in Untersuchungshaft, sondern in Strafhaft. Gegen das Strafurteil hat Timoschenko inzwischen aber auch in Straßburg geklagt. Die EU forderte in einer ersten Reaktion eine Justizreform in der Ukraine. (Az.: 49872/11)