GEHT’S NOCH? : Dopingexportnation Deutschland
DIE MILDE STRAFE FÜR DEN SPANISCHEN DROGENDOKTOR FUENTES KOMMT DEN HIESIGEN SPORTFUNKTIONÄREN GERADE RECHT
Der Böse ist verurteilt. Ein Jahr Freiheitsentzug auf Bewährung für Eufemiano Fuentes, den prominentesten Blutpanscher des internationalen Sports. Vier Jahre Berufsverbot für den Mann, der Radler, Tennisspieler und Fußballprofis mit organisiertem Blutbeutelmanagement fit gemacht hat. Ein spanisches Gericht hat ein Urteil gesprochen und wollte einen Schlussstrich ziehen unter die Affäre.
Die sichergestellten Blutbeutel sollen vernichtet werden, auch alle anderen Beweismittel sollen dem Anti-Doping-Kampf nicht zur Verfügung gestellt werden. Typisch Spanien, wird vor allem hierzulande gemeckert. Von Deutschland aus wird mit dem ausgestreckten Finger auf die Dopingnation im Süden Europas gezeigt. Verlogener geht’s nicht.
Die selbst ernannten deutschen Sportmoralapostel, zu denen auch Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbunds gehört, der der spanischen Justiz eine Behinderung der Aufklärung vorwirft, exportieren mit ihrer Empörung das Dopingproblem ins Ausland. Beschissen wird woanders, wollen sie sagen, und stilisieren den deutschen Sport zum Opfer einer internationalen Dopingmafia. Derweil formulieren Sportpolitiker zusammen mit den Funktionären hochtrabende Medaillenziele, bewilligen irrwitzige Summen an Steuergeldern, damit bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen möglichst oft die deutsche Fahne gehisst werden kann. Deutsche Sportler werden in Polizei- und Bundeswehruniformen gesteckt, um einen bewaffneten Kampf für das Nationalmarketing zu führen.
Natürlich werden auch in Deutschland für diesen Kampf pharmazeutische Waffen eingesetzt. Und klar, es werden die Grenzen dessen, was nach den Regeln der Welt-Anti-Doping-Agentur erlaubt ist, nicht nur ausgetestet. Da wird Sportlerblut abgezapft und bestrahlt, und Ärzte an Unikliniken spritzen verschreibungspflichtige Dinge ohne medizinische Indikation, während man die Nationale Anti-Doping-Agentur so klamm hält, dass sie kaum handlungsfähig ist. Es ist der Staat, der für die große sportliche Leistungsschau junge Menschen dazu bringt, ihre Körper regelrecht verseuchen zu lassen. Da ist der deutsche nicht besser als der spanische.
ANDREAS RÜTTENAUER