: Jedenfalls der Feind
Die RTL-Doku „Sonja wird eingezogen“ hätte Werbung für die Bundeswehr werden können. Doch die Langeweile entschärft den Militärkitsch
VON BETTINA GAUS
Unglücklich das Land, das Helden nötig hat: Vor dem Start der vierteiligen RTL-Dokumentation „Sonja wird eingezogen“ schien es Anlass zur Sorge zu geben. Sind wir wieder so weit? Jahrzehntelang galt Militärkitsch in der Bundesrepublik nicht als Erfolgsrezept für die Programmgestaltung. Was sagt es über die drohende Militarisierung der Gesellschaft aus, wenn man das bei einem kommerziellen Sender nun anders sieht? Nach der ersten Folge vom Sonntag kann Entwarnung gegeben werden. Gar nichts sagt es aus. Die Sendung ist einfach zu langweilig, um gefährlich zu sein.
Dabei hat sich das Strickmuster der Dokumentation schon oft bewährt. Tapferes, schönes Mädchen bewährt sich in einer rauen Männerwelt, erträgt unsägliche Entbehrungen, vergisst aber nie, wer die Führung hat. Die starken Männer. Das Ganze garniert mit Informationen für Technik-Freaks – was soll da schief gehen? Nichts geht schief, das ist ja ein Teil des Problems. Noch die simpelste Dokuserie lebt vom Überraschungsmoment, von realer Spannung – und von der Schadenfreude. Wenn Polizisten auf RTL II „Ärger im Revier“ haben und von Nachbarn zu einem randalierenden Ehepaar gerufen werden, dann fragt man sich wenigstens, wer da gerade wen zusammenschlägt. Und warum.
Bei Sonja Zietlow, bekannt vor allem als Moderatorin der Dschungelshow, fragt man sich gar nichts. Da mag sie uns mit noch so großen, runden Augen erzählen, dass sie zu dem Kampfjet gesprochen hat. Sie hat dem Flugzeug mitgeteilt, dass sie es nicht auf dem Schleudersitz verlassen möchte. Vielleicht hat das die Maschine interessiert. Das Publikum interessiert es nicht.
Wenn es nämlich irgendein Problem gegeben hätte, wenn Frau Zietlow auch nur am Gesundheitscheck gescheitert wäre – dann wäre die Sendung gar nicht ausgestrahlt worden. Die Prognose sei gewagt: Sie wird auch ihren Ausflug auf den Mast des Schulschiffes der Bundeswehr in der nächsten Folge unbeschadet überstehen.
Aber die Langeweile speist sich nicht nur aus dem vorhersehbaren Ablauf. Eine mindestens ebenso große Rolle spielt die inhaltliche Unentschlossenheit. Erkennbar wollten sich die Verantwortlichen eben nicht dem Vorwurf aussetzen, militaristische Botschaften zu transportieren. Das ist politisch erfreulich – und dramaturgisch fatal. Gerade haben sich die Zuschauer an dramatische Musik und markige Worte gewöhnt – „keine Ahnung“, wer bei dem Luftmanöver abgeschossen werden soll, „jedenfalls der Feind“, erklärt ein Pilot – da werden die Streicher plötzlich durch Flöten ersetzt: Die Bundeswehr kämpft nicht, sie rettet. Verletzte aus Krisengebieten, verunglückte Bergsteiger.
Wenn eine Armee öffentlich als humanitäre Organisation weichgespült wird, dann verringert das erfahrungsgemäß den Widerstand gegen Kampfeinsätze. Aber es macht eine Unterhaltungssendung nicht spannend. Die eingezogene Sonja wäre für einen Werbefilm der Bundeswehr gut geeignet. Aber auch nur dafür. Das Land hat offenbar noch immer keine Helden nötig. Glücklicherweise.