Berlinale wird 60

KINO, KUNST UND KUCHEN Eine Pressekonferenz als große Familienfeier mit Kerzenausblasen

Die Internationalen Filmfestspiele Berlin werden 60 Jahre alt und feiern sich. Kein Wunder, dass auf der Pressekonferenz viel von Rückblick, Familie und Feststimmung die Rede war. Am Ende der Veranstaltung durfte Berlinale-Leiter Dieter Kosslick gar die große rote Jubiläumstorte anschneiden: der Filmfestchef, der auf der Bühne den Alleinunterhalter geben darf. Es brauchte allerdings eine ganze Weile, bis der Entertainer Kosslick richtig warm wurde. Seine Kalauer kamen spät, gingen unter oder wurden erst gar nicht verstanden. Mehr Gemütlichkeit als Glamour verströmte etwa sein Kommentar zur Berlinale-Eröffnungsgala: „Ich glaube, es wird ein schöner Abend.“ Begeisterung sieht anders aus. Dafür versprach Kosslick: „Ich kann Chinesen auf dem roten Teppich unterscheiden.“ Die Berlinale wird kommende Woche vom Spielfilm „Tuan Yuan (Apart Together)“ von Wang Quan’an eröffnet.

Insgesamt 26 Filme sind im diesjährigen Wettbewerb vertreten. Ein Neuzugang in letzte Minute ist der britische Dokumentarfilm „Exit Through the Gift Shop“, ein Porträt des Street-Art-Künstlers Banksy. Der wird, hofft Kosslick, bei der Premiere anwesend sein. Das Problem: Niemand wird ihn erkennen. Banksy ist der bekannteste unbekannte Künstler seiner Generation, der sein Gesicht vor der Öffentlichkeit (und den britischen Behörden) bislang streng geheimgehalten hat. Kunst und Kino begegnen sich auch im Programm Forum Expanded, das mittlerweile im fünften Jahr die Grenzen des Kinosaals auslotet. Unter anderem wird Christof Schlingensief den Stummfilm „Inferno“ in einer Performance live kommentieren. Für diesen expandierten Kinobegriff erweitert das Forum seinen Veranstaltungsraum und lagert sich in Galerien und Museen aus. Auch andere Sektionen erkunden die Stadt jenseits des Potsdamer Platzes. Das Special „Berlinale goes Kiez“ führt an zehn Abenden Festivalfilme in ausgewählten Programmkinos auf, roter Teppich und Stargäste inklusive. Auch das Bandenburger Tor wird für die Übertragung der Uraufführung der Neufassung von „Metropolis“ ins Festival einbezogen. So war insgesamt weniger von den Filmen die Rede als davon, wie man als große Familie das Jubiläum begehen wird.

Allein Rainer Rother, Leiter der Retrospektive, setzt auf die antifamiliäre Perspektive und lud den Filmkritiker und -publizisten David Thomson ein, unter dem Motto „Play it Again …!“ eine persönliche Auswahl aus sechs Jahrzehnten Filmfest zusammenzustellen. Der Brite Thomson, der in den USA arbeitet, war noch nie in seinem Leben in Berlin geschweige denn auf der Berlinale. DIETMAR KAMMERER