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Archiv-Artikel

Mehr Betten für Sterbende

Krebskranken mit unerträglichen Schmerzen stehen Fachleute auf Palliativstationen lindernd zur Seite. Doch in Berlin fehlen Betten. Nun will die Gesundheitssenatsverwaltung die Sache angehen

VON JÖRG BRAUSE

Wenn es ans Sterben geht, fürchten viele Menschen einen schmerzvollen Tod. Dabei kann gerade Krebspatienten mit einer palliativmedizinischen Betreuung – also der medizinischen und psychosozialen Versorgung von Sterbenden – ein schmerzfreies Sterben ermöglicht werden. Doch gut 20 Jahre nach der Einführung der Palliativmedizin in Deutschland fehlen in Berlin noch Angebote – sowohl in der stationären wie der ambulanten Sterbebegleitung. Nun sehen Planungen der Gesundheitssenatsverwaltung für die Krankenhäuser eine Verdoppelung der Betten auf Palliativstationen vor. Das geht aus dem Bericht der Behörde zur Hospiz- und Palliativversorgung hervor, der dem Abgeordnetenhaus vorliegt.

Mit einer schmerzlindernden Behandlung könnten viel mehr Todkranken extreme psychische Belastungen erspart bleiben. „Neben der Schmerzlinderung begleiten Ärzte, Pflegepersonal und Psychologen die Sterbenden auch seelsorgerisch und kümmern sich um ihre sozialen Belange“, so Stationsarzt Thomas Jehser. Der Mediziner baute die Palliativstation der Klinik Havelhöhe in Spandau vor zehn Jahren mit auf.

Aber längst nicht jeder Schmerzpatient kann in Havelhöhe oder in einer der drei weiteren Palliativstationen mit sofortiger Aufnahme rechnen. Insgesamt stehen 35 Betten in vier Kliniken bereit, für die es Wartelisten gibt. Nicht ohne Grund: Denn wie aus einer Übersicht der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin hervorgeht, wären gut doppelt so viele Plätze nötig. Diese könnten in weiteren Stadtteilen eingerichtet werden. Das entspricht in etwa den Plänen der Senatsverwaltung, die in den kommenden Jahren die Palliativ-Bettenzahl auf 60 erhöhen will.

Zwar heißt es im Bericht der Behörde, dass Berlin einen „relativ guten Stand“ im bundesweiten Vergleich in der Palliativ- und Hospizversorgung erreicht habe. Das gilt in erster Linie für die sieben Hospize, die aber die Sterbenden nur pflegen. Weitere Palliativstationen machen insofern Sinn, als nur dort komplizierte Schmerztherapien praktiziert werden können. Von Schmerzen befreit, kann Krebspatienten geholfen werden, sodass sie wieder nach Hause zurückkehren und auch dort sterben können.

Die acht Patienten auf der Palliativstation in Havelhöhe sind zwischen 37 und 60 Jahre alt. Je zwei Krankenschwestern und Ärzte und eine Psychologin betreuen sie. „Die stärksten Schmerzen lassen sich mit Morphin besänftigen. Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Atemnot hängen von der Dosierung ab“, sagt Stationsarzt Jehser. Diese werde individuell abgestimmt, je nach den Bedürfnissen des Patienten, denn mancher nimmt lieber etwas mehr Schmerzen in Kauf, um wach und bei klarem Bewusstsein zu bleiben.

Wer aber pflegebedürftig ist und zu Hause nicht von Angehörigen betreut wird, kann in einem Hospiz gepflegt werden. Doch Hospize haben Wartelisten, die in Zukunft sogar noch länger werden könnten, wenn die Verweildauer in Krankenhäusern weiter sinkt. Diesen Schluss legt zumindest eine Übersicht aus dem Bericht der Senatsverwaltung zur Palliativversorgung nahe. Wäre es dann nicht Zeit, über eine ambulante Sterbebegleitung als Alternative zu den stationären Einrichtungen nachzudenken?

Das Modellprojekt Home Care (siehe Text unten) zeigt, wie das gehen kann. Gelegenheit dazu könnte es bald geben, wenn die Senatsverwaltung mit Kassen, Ärzten und anderen Akteuren an einem „runden Tisch“ den tatsächlichen Bedarf an Hospiz- und Palliativversorgung klären will. Dann sollte es endlich auch um eine Stärkung der ambulanten Sterbebegleitung gehen, damit wieder mehr Menschen in den eigenen vier Wänden sterben können.