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Archiv-Artikel

Ermittlungen gegen frühere KZ-Wärter

JUSTIZ Der Schuldspruch gegen John Demjanjuk hat in Deutschland die Hoffnung auf erfolgreiche Prozesse gegen KZ-Aufseher geweckt – in Niedersachsen laufen jetzt erste Vorermittlungen

Ob die Vorermittlungen in Niedersachsen zu Anklagen führen werden, ist noch offen

Niedersachsen hat gegen vier frühere KZ-Wärter des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau Vorermittlungen eingeleitet. Das niedersächsische Justizministerium informierte am Mittwoch den Rechtsausschuss des Landtags über den Stand der Vorermittlungen, die von der Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg eingeleitet wurden. Der Vorwurf gegen die Männer lautet auf Beihilfe zum Mord.

Die Vorermittlungen in Niedersachsen sind Teil einer bundesweit angelaufenen Serie von Untersuchungen gegen 50 mutmaßliche Täter. Ein früherer Bediensteter im Vernichtungslager Auschwitz, Hans L., wurde bereits wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bereitet eine Anklage gegen den 93-Jährigen vor.

Auslöser für die neuen Ermittlungsansätze war laut Ludwigsburger Zentralstelle der Schuldspruch gegen John Demjanjuk 2011. Das Landgericht München hatte den Wachmann des Vernichtungslagers Sobibor wegen Beihilfe zum Mord in 20.000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt, ohne das ihm ein konkreter Mord nachgewiesen werden konnte. Bis dahin waren in Deutschland Verfahren gegen Wehrmachts- oder SS-Angehörige am fehlenden Nachweis der direkten Tatbeteiligung gescheitert. Im niedersächsischen Landtag wird jetzt auch von einem verstärkten Verfolgungswillen gesprochen.

Ob die Vorermittlungen in Niedersachsen jedoch zu Anklagen führen werden, sei noch offen, sagte der Pressesprecher des Justizministeriums, Alexander Wiemerslage. Bevor die Staatsanwaltschaft Anklage erheben kann, müsse die Ludwigsburger Zentralstelle etwa klären, wann die Männer bei welcher Wacheinheit waren, wie viele Menschen getötet wurden und ob es bereits Verfahren im In- oder Ausland gegeben habe.

Das Justizministerium erklärte außerdem, dass die Verurteilungen von Wehrmachtsangehörigen der Division „Herman Göring“ in Italien wegen Massaker an der Zivilbevölkerung derzeit für ein Sammelverfahren ausgewertet werden. Einer der Verurteilten, Alfred L., lebt im Landkreis Stade.  ANDREAS SPEIT