: Mitteilung einer Gefühlslage
HAUSBESUCH Morgens um sechs, wenn die Kinder schlafen. Bei Sophie, Paul, Oskar und Lotte in Stuttgart
VON NADINE MICHEL (TEXT) UND YVONNE SEIDEL (FOTOS)
Stuttgart, am Stadtrand, zu Hause bei Sophie (34), Paul (41), Oskar (3) und Lotte (1) Urmetzer.
Draußen: Ein ockerfarbenes Mehrfamilienhaus mit fünf Parteien am südlichsten Zipfel Stuttgarts, oberhalb des Talkessels (Sophie: „fühlt sich mehr wie ein Dorf an“). Durch ein mintgrünes Metalltor geht es in den Garten. Steinplatten zwischen Blumenbeet und Rasen führen zum Haupteingang, den die Urmetzers selten benutzen. Sie gehen meistens über die Terrasse ins Haus. Auf dem Rasen stehen Fahrräder, auf der Terrasse liegt ein grünes Kinderfahrrad, Hängematte, links vom Haus eine morsche Bank (Paul: „Eine alte Kirchenbank“).
Drin: Drei Zimmer, braunes Parkett, dunkelblaues Sofa hinterm Esstisch im Wohnzimmer, das Paul auch als Büro nutzt. Eine Wand voller Bücher, „Gartenkunst“. Grünes Telefon mit Wählscheibe auf der Fensterbank (Paul: „Für die Kinder zum Spielen, damit sie irgendwann noch wissen, was mal ein Telefon war“). In der Küche Kinderbilder von Oskar am Kühlschrank (Sophie: „Ein Schuh.“ Oskar: „Das ist kein Schuh“).
Wer macht was? Paul ist Landschaftsarchitekt, arbeitete an der Uni, macht eine pädagogische Qualifizierung an der Gartenbaufachschule: „Das hatte eine Perspektive im Vergleich zu den befristeten Verträgen an der Uni.“ Sophie, Forstwissenschaftlerin, hat die Elternzeit abgeschlossen und sucht Arbeit. Oskar geht in den Kindergarten, Lotte kommt im August dorthin, eine Elterninitiative (Sophie: „Wie im Verein, jeder hat seine Aufgabe“).
Wer denkt was? Sophie: „Die Stellensuche und das Kindererziehen – was man da alles falsch macht.“ Sophie und Paul suchen eine neue Wohnung, am liebsten ein Haus (Sophie: „Das wird sonst auf die Dauer zu eng“). Paul: „Ich stecke in der Abschlussphase meiner Ausbildung, das beschäftigt mich zeitlich und geistig.“
Sophie: Geboren in Rottweil, „nicht weit weg von Stuttgart“, zog zum Studium erst nach Eberswalde, war im Ausland, schließlich Freising bei München, dort traf sie Paul, erster Job an der Uni. Vor zwei Jahren zog die Familie nach Stuttgart. „Ich hätte nie gedacht, dass ich wieder hierherkomme, aber so schlecht finde ich’s gar nicht.“
Paul: Geboren und aufgewachsen in Koblenz, Gartenlehre in Bitburg und Trier, fürs Studium nach Freising. Die Zusage von der Gartenbaufachschule in Stuttgart kam überraschend. Von Schwaben hatte er ein positives Bild. „Ich bin leidenschaftlicher Wochenkehrer, das hat sowas Besinnliches.“
Das erste Date: Sophie und Paul haben gemeinsam in einer WG gewohnt. An das erste gemeinsame Ausgehen kann sich Sophie nicht genau erinnern. „Das kam einfach so.“ München, Stadtcafé, Paul: „Da habe ich Dir meine Gefühlslage mitgeteilt.“ Sophie: „Genau, da hast Du mir mitgeteilt, dass Du eigentlich nicht mehr in der WG wohnen möchtest.“ Eine Art Liebeserklärung.
Die Hochzeit: 31. Oktober 2008, Sophie war schwanger („Bedingung war, dass ich noch keinen ganz dicken Bauch habe“). Sophie: „Eine tolle Party.“ Paul: „Ja, heiraten lohnt sich schon.“
Der Alltag: Paul und Sophie stehen gegen sechs auf. Sophie: „Wir hoffen, dass die Kinder noch eine Weile schlafen.“ Kaffee und Tee, Marmeladenbrot. Oskar isst Müsli, Lotte Brei, am liebsten Banane, beide trinken Wasser. Pauls Unterricht fängt um halb acht an, manchmal hat er Unterricht bis nachmittags, manchmal nur zwei Stunden. Oskar muss um acht in den Kindergarten, Sophie bringt ihn. Lotte geht einmal in der Woche zur Musikgruppe. Sophie spielt Cello im Orchester, Paul Bratsche, aber nur für sich („Ich müsste mehr üben, um im Orchester mitzukommen“). Er geht lieber in den Garten.
Wie finden Sie Merkel? Sophie: „Sie ist so aalglatt, dass man ihr nichts vorwerfen kann. Wir wählen sie trotzdem nicht.“ Paul: „Irgendwie hat man das Gefühl, dass sie ihre Sache gut macht.“
Wann sind Sie glücklich? Sophie: „Wenn die Kinder schlafen, atmet man durch und denkt, was mache ich jetzt noch Schönes. Genauso glücklich macht einen ein Kinderlachen.“ Paul: „Wenn man die Zeit hat, sich auf die Kinder einzulassen, dann ist es auch schön, wenn sie nicht schlafen.“
■ Nächste Woche treffen wir Jacqueline Piwon und Samuel Walter in Erfurt. Wenn Sie auch von uns besucht werden möchten, mailen Sie uns an hausbesuch@taz.de