: Bauernland in Kundenhand
Der Bio-Bauernhof „Apfeltraum“ bei Müncheberg wird zur Aktiengesellschaft: Die Hofgemeinschaft will so Geld für Projekte sammeln und den Aktienkäufern Verantwortung für das Land übertragen
von Christoph Villinger
Die Euphorie ist ihnen im Gesicht geschrieben: Mit fast jugendlicher Begeisterung erzählen der 31-jährige Jakob Ganten und Boris Laufer, 36, von der Gründung der „Apfeltraum Aktiengesellschaft“ Anfang Dezember. „Wir laden die Kunden ein, teilzunehmen an unserer Landwirtschaft. Damit öffnen wir unseren Hof nach außen, er soll von vielen Menschen mitgetragen werden, auch finanziell.“
150.000 Euro beträgt das Stammkapital. Ein Viertel davon, und damit die Sperrminorität, übernehmen die BewohnerInnen des Hofes selbst. Der Rest wird nun in Stückelungen à 100 Euro als eine Art „Öko-Volks-Aktie“ verkauft. „Auf jede Aktie legt die Europäische Union noch mal 90 Euro aus dem Topf für Regionalentwicklung drauf, die in die Aktiengesellschaft fließen“, erzählt Ganten.
In Eggersdorf, südlich von Müncheberg, 30 Kilometer östlich von Berlin, bewirtschaften seit Mitte der 90er-Jahre zehn Erwachsene mit sechs Kindern einen Bio-Bauernhof nach den Demeter-Regeln. Inzwischen können alle Erwachsenen auf der „Hofgemeinschaft Apfeltraum“ von der Landwirtschaft leben. Der Betrieb besteht aus fünf wirtschaftlich eigenverantwortlichen Teilen: Neben der Gärtnerei, dem Abo-Kisten-Vertrieb, dem Feldbau und der Viehhaltung gibt es auch eine kleine Baumschule. „Wir haben viele weitere Ideen. Doch dafür fehlt uns bisher das Eigenkapital“, erklärt Ganten, wie sie auf die in Berlin und Brandenburg einzigartige Idee kamen, eine Aktiengemeinschaft zu gründen.
Mit der AG wurde auch ein sechster Betriebsteil gegründet: der Bereich Ferienwohnung und Lernküche. Beide müssen erst noch realisiert werden. Bisher ist die AG auf diesen Betriebsteil beschränkt. „Aber langfristig sollen alle Betriebsteile in der AG aufgehen.“ Allerdings bremst Ganten sofort monetäre Blütenträume potenzieller Anleger. „Die Dividende kann die Motivation nicht sein, und an die Börse wollen wir auch nicht“, betont der Agraringenieur. Nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates können die als Namensaktien ausgegebenen Anteile weiterverkauft werden.
Landwirtschaft für alle
Dem gelernten Gärtner Laufer geht es vor allem darum, „die Landwirtschaft raus aus dem Privatbesitz zu nehmen und rein in den Allgemeinbesitz zu bringen, also in den Besitz derer, denen das Land etwas bedeutet.“ Ganz ähnlich dem Ansatz der LPGs in der DDR, sinniert Laufer weiter – „den Bauern von seiner Scholle befreien, aber von unten und nicht von oben“.
Beim Gang über das etwa 140 Hektar große Gelände stößt man auf Haflinger-Pferde, die für den Ackerbau eingesetzt werden; in den Gewächshäusern gedeiht in langen Reihen der Feldsalat und am Horizont sind neben den Obstwiesen große Felder mit Rosen- und Grünkohl zu erkennen. Auch Kühe und Schweine leben auf dem weitläufigen Hofgelände. Hinter einem kleinen Wald liegt die Baumschule, in der alte Obstsorten und Wildfrüchte wie Hagebutten neu gezüchtet werden. „Auch ins Geschäft mit Saatgut sind wir vor einem Jahr eingestiegen“, sagt Laufer.
Doch Geld bringen vor allem die Gemüse-Abo-Kisten, die entlang der B 1 bis nach Berlin hinein verkauft werden, und die Gemüsestände auf diversen Ökomärkten. Sonnabends sind sie auf dem Kreuzberger Chamissoplatz und in der Domäne Dahlem anzutreffen.
Anders als bei einer Domäne ist der Kern ihrer Anlage klein. Es ist ein alter Vierseithof, so genannt aufgrund der Anordnung der verschiedenen Gebäude: Vorne das – für die ganze Gruppe viel zu enge – Wohnhaus, links und rechts die verfallenden lang gezogenen alten Kuh- und Schweineställe und gegenüber eine alte Scheune. Etwas entfernt an der Straße liegt ein in bestem DDR-Design gehaltenes ehemaliges Verwaltungsgebäude der LPG. Hier wohnt Ganten, und hier ist auch das kleine Büro des Demeter-Verbandes Berlin-Brandenburg untergebracht.
35 Demeter-Betriebe gibt es in der Region. Am bekanntesten in Berlin ist durch seine Milchprodukte das Ökodorf Brodowin und der bei Bad Saarow liegende Hof Marienhöhe. „Insgesamt werden inzwischen in Brandenburg 125.000 Hektar biologisch bewirtschaftet. Das sind 9,3 Prozent der Nutzfläche“, berichtet Jens-Uwe Schade, Sprecher des Brandenburgischen Umweltministeriums. Von den knapp über 700 Betrieben inklusive Verarbeitungsfirmen gehört die Hälfte keinem Verband an; sie erfüllen aber die Normen des Bio-Zertifikats.
Den beiden „Apfelträumern“ ist es wichtig, die Demeter-Regeln „modern zu interpretieren“. Für Laufer ist der dabei angestrebte geschlossene Betriebskreislauf zwischen Pflanzen und Tieren ein hohes Ziel, und auch die Betonung der sozialen Gemeinschaft gefällt ihm. Doch die bei Vollmond zu vergrabenden Kuhhörner – ebenfalls eine Demeter-Anweisung – kommentiert er lax: „Das kann man tun, ist aber keine Vorschrift. Man sollte so etwas als etwas altertümliche Nahrungsmittelpräparate für den Boden verstehen.“
Vor dem aus Feld- und Ziegelsteinen gemauerten alten Stall beginnen Laufer und Ganten voller Begeisterung von ihren Plänen für den Hof zu reden. Noch ist das Gebäude eine Ruine, vom Dach nur noch ein Zehntel vorhanden, das alte Zimmer für die Mägde und Knechte im Obergeschoss wegen Einsturzgefahr nicht zu betreten. Sobald genügend Geld in der AG zusammen ist, soll der im Augenblick in einer alten Garage versteckte Hofladen nach vorne an die zur Straße gelegene Ecke des Stalls. „Damit wird er sichtbar, und die Leute verlieren die Scheu, ihn zu betreten“, hofft Laufer. In den alten Ställen ist ein Tagungsraum für etwa 30 Personen geplant, kombiniert mit einer Großküche für Lehrgänge, „wie unsere Produkte zu hochwertigen Lebensmitteln weiterverarbeitet werden“. Unter das wiederaufgebaute Dach sollen die Ferienwohnungen. „Mitten auf dem Hof: Es ist laut, Traktoren fahren, es stinkt – aber die Menschen bekommen wieder einen Bezug zur Produktion ihrer Lebensmittel.“
Ihr Ideenfeuerwerk ist kaum zu bremsen, so vieles könnte man machen. Von Bildungskursen für Schulklassen zum Thema Schaf bis hin zu Lehrgängen über die Anlage von Heckenpflanzen reichen ihre Vorstellungen. Doch „jetzt schaffen wir erst mal die Räumlichkeiten“, bremst Laufer sich noch mal selbst, „dann können wir durchstarten.“