: Happy Birthday, Feindbild
Der Berliner FC Dynamo wird 40 Jahre alt. Obwohl der beste Mann des Clubs – Erich Mielke – längst keine Steilvorlagen mehr gibt, wird der DDR-Rekordmeister noch heute als Stasi-Club beschimpft. Nach 1990 ruinierten rechte Hools seinen Ruf völlig
von Johannes Kopp
Christian Backs weiß eine schöne Geschichte über seinen Verein zu erzählen. Und er lässt sich nicht lange bitten, anlässlich der 40-Jahrfeier des DDR-Rekordmeisters, des Berliner FC Dynamo, diesen Schwank zum Besten zu geben. Einmal, erinnert sich Backs, musste er wegen einer Knöchelverletzung eine Partie direkt neben Erich Mielke, dem Vereinspatron und Minister für Staatssicherheit, anschauen. Und weil der fußballbesessene Genosse das Spiel aufgeregt im Stehen verfolgte, traute sich die Funktionärsgefolgschaft um ihn herum nicht, Platz zu nehmen – einschließlich ihm selbst. „Anstatt mein Bein hochzulegen, habe ich 90 Minuten gegen meine Schmerzen angekämpft“, erzählt Backs.
An Mielke und die Stasi denken die Leute bis heute, wenn es um den BFC Dynamo geht. Die zwischenzeitliche Umbenennung des Vereins, als man zwischen 1990 und 1998 unter dem Namen FC Berlin antrat, konnte die Vergangenheit nicht vergessen machen. Zudem verbindet man mit dem BFC seine rechtsradikalen, gewaltbereiten Fans, die nach der Wende statt der Fußballer die Schlagzeilen dominierten.
„Wir sind doch sowieso die Bösen“, sagt Mario Weinkauf, der Präsident des Vereins, lakonisch. Auswärts werde die F-Jugend des BFC, die achtjährigen Steppkes, noch immer mit „Stasi, Stasi“-Rufen beschimpft, berichtet er. Ein beachtlicher historischer Reflex: Schließlich ist es bereits über 16 Jahre her, dass Mielke die Geschicke des Vereins mit bestimmte.
Bereits im Jahre 1953 beteiligte er sich maßgeblich an der Gründung der Sportvereinigung Dynamo, der „einheitlichen sozialistischen Sportorganisation der Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR“. Aus dieser ging dann am 15. Januar 1966 der BFC Dynamo hervor, der zum Vorzeigeverein der DDR wurde. Mielke schwebte vor, dass der BFC die Überlegenheit des sozialistischen Systems auf dem Rasen demonstrieren solle. Entsprechend akribisch und professionell wurde gehandelt.
Der Trainer Jürgen Bogs, in dessen Verantwortung alle zehn Meisterschaften gewonnen wurden, bezeichnete die Nachwuchsarbeit des BFC als „absolut führend“ in der DDR. Für alle Jugendklassen standen hauptamtliche Trainer zur Verfügung, und der Verein bekam seine Talente über landesweite Trainingszentren zugeführt. Diejenigen, die anderswo für Aufsehen sorgten, wurden zum BFC delegiert, wie etwas Thomas Doll von Hansa Rostock. Ende der 70er-Jahre fruchteten die getroffenen Maßnahmen beim BFC. Der Verein fuhr zwischen 1979 und 1988 die Ernte ein: zehn Meisterschaften in Serie.
Insbesondere aufgrund vieler fragwürdiger Schiedsrichterentscheidungen verstärkte sich in der DDR die Wut auf den „Schieboar-Meistoar Bäh-Äf-Zäh“, wie die zornigen Massen skandierten. Davon will Christian Backs, der sieben Meistertitel mit dem BFC errang, auch heute nichts wissen. Die Mannschaft sei einfach zu stark gewesen, erklärt er. Der Mithilfe der Schiedsrichter bedurfte es gar nicht.
Dass es sie gab, leugnet er nicht. Die Fakten sprechen eine zu deutliche Sprache. Die Berliner Zeitung recherchierte, dass sieben jener zehn angeblich Unparteiischen, die am häufigsten Spiele des BFC pfiffen, Offiziere der Stasi oder Informelle Mitarbeiter waren. Hinzu kam, dass die angeblich Unparteiischen gern ins kapitalistische Ausland reisten. Wer dorthin durfte, um Europacupspiele zu leiten, entschied allein das Ministerium für Staatssicherheit.
Mag man noch darüber streiten, inwieweit Schiedsrichterentscheidungen die Vormachtstellung des BFC begünstigt haben. Klar ist: Ohne die Stasi und Erich Mielke wäre der Verein nicht Rekordmeister geworden. Dennoch pflegte der BFC zuletzt ein recht unbeschwertes Verhältnis zu seiner Vergangenheit. Vor einem Jahr legte der Verein beim DFB Beschwerde ein, weil nur die Bundesligatitelträger seit 1963 Ehrensterne auf dem Trikot tragen dürfen. Die Entscheidung des Verbands wartete man aber gar nicht erst ab, sondern stolzierte öffentlichkeitswirksam mit drei Sternen auf der Brust in der Oberliga auf den Platz. Aggressives Marketing nennt das der Präsident Weinkauf.
Das für den Sommer geplante Trainingslager in Israel, im Jubiläumsjahr, darf man in dieselbe Kategorie einordnen. Der Oberligist will mit aller Macht sein schlechtes Image aufpolieren. Mit dem rechtsextremen Anhang möchte man nichts mehr zu tun haben. Doch nur mit Hilfe dieser Kreise hat man es nach der Insolvenz 2002 geschafft, den Verein am Leben zu halten, wie Weinkauf eingesteht. Die Kooperation sei notgedrungen erfolgt. Ob man die Geister, die man rief, so einfach wieder los wird, darf bezweifelt werden.