: Der Staat muss sich entschuldigen
GUATEMALA Nach der spektakulären Verurteilung des Exdiktators Rios Montt hat ein Gericht jetzt den Staat zur symbolischen Wiedergutmachungen für den Völkermord in den 1980er Jahren verpflichtet
NAVI PILLAY, UN-HOCHKOMMISSARIN
GUATEMALA-STADT taz | Drei Tage nach dem Urteil gegen den ehemaligen Militärdiktator Efráin Rios Montt hat das oberste Gericht Guatemalas am Montag die Regierung des Landes verpflichtet, sich für die am Volk der Ixil verübten Kriegsverbrechen zu entschuldigen. Neben einer Zeremonie in der Hauptstadt soll die Staatsspitze auch im Siedlungsgebiet der Ixil im Nordwesten des Landes um Vergebung bitten, verfügte die Richterin Jazmín Barrios.
Die Regierung müsse Denkmäler errichten, die an das Leid der Ixil, insbesondere die von der Armee verübte Gewalt gegen Frauen, erinnern, so Barrios. Die Geschichte des Völkermords an den Ixil soll als verbindlicher Teil in die Lehrpläne der öffentlichen Schulen aufgenommen werden.
Am Freitag hatte Barrios den 86-jährigen Exgeneral Efraín Rios Montt wegen Völkermord an den Ixil und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 80 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Regierungszeit Montts in den Jahren 1982 und 1983 gilt als blutigste Phase des Bürgerkriegs in Guatemala, in dem 200.000 Menschen getötet wurden, darunter Tausende Indigene.
Barrios forderte den Kongress auf, den 23. März zum „Nationalen Tag gegen Völkermord“ zu erklären. Am 23. März 1982 hatte Montt sich an die Macht geputscht.
Präsident Otto Pérez Molina erklärte sich am Montag bereit, sich bei den Ixil zu entschuldigen. „Wenn das Gericht dies für angemessen hält, habe ich kein Problem damit“, sagte er. Pérez Molina war während der frühen 1980er Jahre selbst als Standortkommandant an den Militäroperationen im Ixil-Dreieck beteiligt. Überlebende haben ihm Kriegsverbrechen vorgeworfen, er wurde jedoch niemals deswegen angeklagt.
Montt war am Montag nicht bei der Verhandlung anwesend. Er war am Morgen wegen eines Schwächeanfalls in ein Militärkrankenhaus gebracht worden. Die Ärzte des Militärgefängnisses, in dem er seit Freitag inhaftiert war, sagten, der Stress der vergangenen Tage habe seine Gesundheit angegriffen.
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte nannte das Urteil gegen Montt am Montag „von monumentaler Bedeutung“. Guatemala habe „Geschichte geschrieben und der Welt gezeigt, dass es möglich ist, die Verbrechen der Vergangenheit aufzuarbeiten“, so Navi Pillay.
In Guatemala selbst gab es jedoch Proteste gegen den Schuldspruch. Am Sonntag versammelten sich Hunderte Anhänger Montts vor dem Gefängnis Matamoros. Sie warfen der Justiz vor, bestechlich zu sein und sich ausländischem Druck gebeugt zu haben. Auch in Montts Geburtsstadt Huehuetenango im Nordwesten des Landes demonstrierten am Montag etwa 3.000 Anhänger einer rechten Miliz für die Freilassung des Exdiktators. Sie drohten mit weiteren Aktionen, sollte das Urteil nicht aufgehoben werden.
Präsident Pérez Molina rief derweil dazu auf, „die Lage nicht weiter zu polarisieren.“
CHRISTIAN JAKOB