: Städte: Gas, Wasser, Freiheit
Kommunale Energieversorger treten aus dem Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft aus, weil der die Großindustrie bevorteile. Immer mehr Kleine emanzipieren sich von E.ON und Co
VON KLAUS JANSEN
Die kommunalen Energieversorger in NRW kämpfen für mehr Unabhängigkeit von den Branchenführern. Die Stadtwerke von Aachen, Soest und Unna erklärten gestern gemeinsam mit den Versorgungsunternehmen aus dem bayerischen Rosenheim und dem rheinland-pfälzischen Ludwigshafen ihren Austritt aus dem Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW). Der Verband vertrete „in besonderem Maße die Interessen der großen Branchenplayer“ und verteidige die „oligopolistischen Strukturen“ auf dem Gasmarkt, heißt es zur Begründung in einer gestern veröffentlichten Erklärung.
Zu hohe Netzentgelte, zu wenig Anbieter – viele kommunale Stadtwerke klagen über den mangelnden Wettbewerb auf dem Gasmarkt, der von wenigen Großunternehmen wie E.ON, RWE oder Wingas dominiert wird. „Uns bleibt nur die Endversorgung, wir sind nur der kleine Schwanz eines großen Hundes“, sagt ein Vertreter eines kommunalen Energieversorgers aus dem Ruhrgebiet.
Während die einen ihre Abhängigkeit durch politischen Protest und Verbandsaustritt mindern wollen, planen andere Stadtwerke aus dem Ruhrgebiet nun eine Großinvestition: Für 150 Millionen Euro soll im münsterländischen Epe ein Gasspeicher nebst Pipeline ins Revier gebaut werden. Hauptträger des Projekts ist der von den Stadtwerken Bochum und Dortmund kontrollierte Versorger Gelsenwasser. Der Speicher soll mit einer Kapazität von 2,2 Milliarden Kilowattstunden etwa die Hälfte des Jahresbedarfs des Unternehmens decken. Der Vorteil: Wer selbst Gas speichern kann, muss bei Versorgungsengpässen extreme Preissteigerungen nicht direkt bezahlen. „Wir sind sicher, dass sich die Investition lohnt“, sagt Gelsenwasser-Sprecher Felix Wirtz. 2010 sollen Speicher und Pipeline in Betrieb gehen.
Der Pipeline-Bau ist Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins der kommunalen Versorger, bei denen sich noch keines der Großunternehmen eingekauft hat. Nicht nur auf dem Gas-, sondern auf auch auf dem Strommarkt werden neue Projekte angestoßen: Erst im September vergangenen Jahres begannen in Hamm-Uentrop die Bauarbeiten für ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk, das von einem Konsortium unabhängiger Stadtwerke betrieben wird. Vorstand dieser deutsch-niederländischen Trianel-Gruppe ist Dieter Attig – Chef der Stadtwerke Aachen, die auch den Austritt aus dem BGW vorangetrieben haben (siehe Interview).
Die Landesregierung kommentiert den Ausstieg der Stadtwerke vorsichtig. „Mehr Wettbewerb ist immer gut“, sagt Joachim Neuser, Sprecher von CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben. Allerdings sei noch nicht erwiesen, dass die Kritik der Stadtwerke an zu hohen Netzentgelten tatsächlich zutreffe. „Die Bundesnetzagentur wird das prüfen“, so Neuser.
Verbraucherschützer begrüßen die Anstrengungen der Stadtwerke hingegen ausdrücklich: „Das kann nur positiv sein“, sagt Peter Blenkers, Energiexperte der Verbraucherzentrale NRW. Auch Aribert Peters, der Chef des Bundes der Energieverbraucher, geht davon aus, dass sich die Investitionen aufgrund der von den Großunternehmen erhobenen „exorbitanten Durchleitungskosten“ schnell rechnen. „Wenn die Stadtwerke die niedrigeren Preis an ihre Kunden weitergeben, kann das viel verlorenes Vertrauen zurückbringen“, so Peters zur taz. „Die Kleinen wachen viel zu spät auf – aber das ist besser als nie.“