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Archiv-Artikel

Schluss mit Jazz im Keller

MASSENKOMPATIBEL Zum vierten Mal lädt das Festival Elbjazz zum Großevent mit Hafenflair. Regelmäßige Spielorte für die hiesige Szene gibt es aber immer weniger

Eine beeindruckende Mischung aus internationalen Legenden, Newcomern und lokalen Lieblingen

VON ROBERT MATTHIES

Nun hören auch Dieter und Heidi Reichert auf. Fast 28 Jahre lang haben die beiden Birdland-Betreiber mit viel Herzblut im Souterrain in der Eimsbüttler Gärnterstraße Hamburgs größten Jazzclub betrieben.

Internationale Größen wie Art Blakey, Brad Mehldau oder die Marsalis-Brüder waren hier. Vor allem aber waren die regelmäßigen Jamsessions im holzvertäfelten Kellerklub für den hiesigen Nachwuchs eine der wenigen Gelegenheiten, mit erfahrenen Musikern ins Spiel zu kommen und Live-Erfahrung zu sammeln. Nun schwinden dem 73-jährigen Reichert die Kräfte, am 30. Juni öffnen sich die Türen der Jazzinstitution zum letzten Mal.

Bereits Anfang letzten Jahres hat das Team des Jazzclubs im Stellwerk frustriert über die nicht zuletzt auch finanziell ausgebliebene Anerkennung das Handtuch geschmissen. Als einziger Klub der Stadt bleibt nur Dieter Roloffs Cotton Club am Großneumarkt. Der aber hat sich seit 50 Jahren dem Dixieland und Hot Jazz verschrieben. Wer Zeitgenössisches hören will, ist heute auf die von wenigen Enthusiasten in Eigenregie und mit wenig Geld auf die Beine gestellten Konzertreihen in kleinen Clubs wie dem Golem, der Pony Bar, dem Hafenbahnhof oder dem Foolsgarden verwiesen.

Mit vielen Ausrufezeichen haben Cotton Club, Birdland und das Ex-Team des Jazzclubs im Stellwerk schon im letzten Jahr ihrer Sorge um den Jazz in Hamburg Ausdruck verliehen. Lange hätten sie um eine Förderung und „zumindest um Respekt“ gekämpft, seien aber durch den letzten Bürgerschaftsbeschluss zur Jazzförderung abermals „abgewatscht“ worden. Hamburg sei auf dem „einzigartigen“ Weg, eine „jazzclubfreie und Hansestadt“ zu werden.

Statt der lokalen Szene und dem Nachwuchs unter die Arme zu greifen, gingen beachtliche Dreiviertel der beschlossenen 130.000 Euro in den nächsten Jahren an die drei großen Festivals: an das Jazzbüro Hamburg und damit an das Jazz Open in Planten un Blomen und das Überjazz-Festival auf Kampnagel sowie an das Elbjazz-Festival. Eine klare Entscheidung zugunsten großer Events mit Tourismus-Faktor.

Dass deren Überzeugungskraft nicht allein in Blue Notes und Schleiftönen liegt, ist auch den Initiatorinnen des nächstes Wochenende zum vierten Mal stattfindenden Elbjazz, Tina Heine und Nina Sauer, klar: Die meisten von dessen rund 15.000 Besuchern würden „von der grandiosen Kulisse und dem maritimen Flair des Hafens angelockt“. Und stellten erst dort oft überrascht fest, „dass Jazz ihnen viel besser gefällt, als sie bisher gedacht haben“.

Dass der einst als anstrengende oder reichlich angestaubte Veranstaltung für Rotwein trinkende Spezialisten verschrienen Musik ein derart großes neues Publikum erschlossen worden ist, liegt nicht zuletzt auch daran, dass auf den mit Barkassen verbundenen Bühnen an „ungewöhnlichen Spielorten“ im Hafen ganz bewusst auf einen weiten Jazzbegriff und Massenkompatibilität gesetzt wird.

Auch dieses Jahr dürften vor allem die großen Namen für zufriedene Gesichter bei Publikum und Veranstaltern ebenso wie bei Gastronomen und Sponsoren sorgen. Denn was bei den über 80 Konzerten auf die zehn Bühnen gebracht wird, kann sich tatsächlich hören lassen: Eine beeindruckende Mischung aus internationalen Stars und Legenden, Newcomern und lokalen Lieblingen haben Sauer, Heine und ihr Team gebucht. Hören kann man diesmal unter anderem Saxofonist Joshua Redman, Stefan Gwildis mit der NDR-Bigband, die Weilheimer Indietroniker The Notwist, Jazz-Pop-Wunderkind Jamie Cullum und ein weiteres Mal Chilly Gonzales.

■ Fr, 24. 5. und Sa, 25. 5., www.elbjazz.de