WAS MACHEN EIGENTLICH ... die Berliner?
: Große Augen

Man könnte meinen, die Berliner hätten noch nie einen Wal gesehen. Schon gar nicht einen toten. So pilgerten sie gestern zu hunderten vor die Tore der japanischen Botschaft, um dort einen von der Umweltorganisation Greenpeace ausgestellten Finnwalkadaver zu bestaunen. Sogar Schulen und Kindergärten nutzten den Meereskoloss für eine anschauliche Wissensvermittlung vor Ort. Mit der Aktion wollen die Umweltschützer gegen den illegalen Walfang der Japaner in der Antarktis protestieren.

Das 17 Meter lange und 20 Tonnen schwere Tier hatte sich am Wochenende in die Ostsee verirrt. Greenpeace hatte den Meeressäuger dann am Mittwoch in Warnemünde tot aus dem Wasser geholt. Wenn einem so ein Wal schon mal vor die Füße gespült wird, kann man ihn ja auch zu eigenen Zwecken nutzen, mag die Organisation gedacht haben. So fassten die Umweltschützer den Plan, das tote Tier zu kidnappen. Sie brachten den Wahl nicht – wie versprochen – direkt zum Deutschen Meeresmusuem nach Stralsund, sondern entführten ihn in die Hauptstadt. Der wahrscheinlich verhungerte Meeressäuger trat nach seiner Odyssee im Wasser eine zweite Irrfahrt an Land an – und wurde der Sensationslust der Berliner ausgesetzt. Für das individuelle Schicksal des Tieres interessieren sich die Schaulustigen nicht. Sie wollten seine Flosse tätscheln und sich vor seinem Kadaver fotografieren lassen. Dass der Wal solch posthume Berühmtheit erlangte, hat er vor allem dem Wetter zu verdanken. Denn: Die Kälte hält den toten Körper frisch und den Geruch in Grenzen. sc FOTO: AP