: Climate Justice Now!
KLIMA Die Gruppe gegenstromberlin versteht sich als Teil einer neuen Bewegung für Klimagerechtigkeit. Die falschen Lösungen der Klimagipfel lehnt sie ab
Im Sommer 2008 versuchten rund 1.000 Menschen, die Baustelle des Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg zu besetzen. Gegenstrom hieß die Kampagne, die im Rahmen des Hamburger Klimacamps zu der Aktion des zivilen Ungehorsams aufgerufen hatte. „Viele, die damals dabei waren, kamen aus Berlin“, erklärt Simon die Entstehung von gegenstromberlin. „Wir haben uns danach zusammengetan und weitergemacht.“ Am Anfang stand zunächst eine lange Phase der inhaltlichen Diskussionen. „Wir sind antikapitalistisch und „graswurzelorganisiert“, fasst Simon das Ergebnis zusammen.
Wichtig ist gegenstromberlin, das „Prinzip echter Lösungen“, wie er es nennt. Die fossilen Rohstoffe sollen zum Beispiel im Boden gelassen werden. „Dafür braucht es verbindliche und nicht marktbasierte Instrumente, die keine reale Wirkung haben“, erklärt der 22-jährige Politikstudent. Die Gruppe möchte in den herrschenden Klimadiskurs intervenieren, zum einen mit Inhalten, aber auch mit „widerständiger Praxis“, mit Aktionen des zivilen Ungehorsams.
Im aktuellen Strategiestreit der Umweltbewegung darüber, ob denn eine Mobilisierung zu Klimagipfeln nach dem Debakel von Kopenhagen überhaupt noch sinnvoll ist, hat sich gegenstrom eindeutig positioniert. Im Gegensatz zu den großen NGOs wie WWF und Oxfam wollen sie nach dem Debakel von Kopenhagen nicht mehr zu den Klimagipfeln mobilisieren. „Seit zwanzig Jahren wird dort verhandelt, und die Ergebnisse sind gleich null“, begründet Simon den Strategiewechsel.
Gegenstromberlin möchte stattdessen auf lokale Bündnisse setzen. Im Gespräch sind Besetzungen von Kohlekraftwerksbaustellen und Aktionen gegen den Braunkohletagbau in der Lausitz. Simon hofft, dass zumindest Friends of the Earth bzw. in Deutschland der BUND nach den Erfahrungen von Kopenhagen Konsequenzen zieht und ebenfalls aus der Show der politischen Lippenbekenntnisse ausschert. Der BUND soll sich an einer gemeinsamen Strategie aus Bauplatzbesetzungen und Bürgerinitiativen beteiligen. „Das Thema macht es angemessen, zivilen Ungehorsam zu leisten“, findet Simon, „weil die Situation ziemlich dramatisch ist und jetzt entschieden werden muss, dass keine weiteren Kohlekraftwerke mehr gebaut werden.“
Von anderen großen Umweltverbänden erwarten die Berliner keinen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz. Wer wie Greenpeace als wesentliche Botschaft seiner Klimakampagne: „Politiker reden, Führer handeln!“ propagiert, mit dem könne Mensch kein Bündnis eingehen. „Das ist so was von unemanzipatorisch und undemokratisch“, regt sich Simon darüber auf.
Bei gegenstromberlin seien zurzeit 20 überwiegend junge Menschen regelmäßig aktiv und noch mal so viele würden zeitweise und bei konkreten Aktionen mitmachen. Die Gruppe ist beim Berliner KlimaAktionBündnis aktiv und Teil des Klima!Bewegungsnetzwerks. Zuletzt hat die Gruppe die Proteste in Kopenhagen mitorganisiert. Darauf folgte ein „krasses Energieloch“, wie Simon es nennt. Nach dem Luftholen wird nun das neue Jahr geplant.
Da wird überlegt, den Multimilliardenkonzern Vattenfall anzugehen und zum Beispiel einen Kohletransport auf der Spree zu entern. „Damit könnte auf das Problem aufmerksam gemacht werden, dass Berlin mit Kohlestrom versorgt wird“, philosophiert Simon. Eine Allianz mit der Anti-Atom-Bewegung ist im Gespräch, und auf jeden Fall würden sie gerne wieder einen Umsonstfahrtag in Berlin organisieren. „Beim Umsonstfahrtag verschenken wir Freifahrscheine“, so Simon, „da wir finden, dass der ÖPNV für alle kostenlos sein muss.“ Klimaschutz einmal ganz konkret und mit sozialem Mehrwert.
Neben den Aktionen wird bei gegenstrom aber auch viel inhaltliche Arbeit geleistet. Zum Klimagipfel in Kopenhagen wurde eine eigene Zeitung herausgegeben und auf zahlreichen Informationsveranstaltungen über die Hintergründe der Verhandlungen informiert. JAL
■ Wer Lust hat, Klimapolitik auf lokaler Ebene und im globalen Kontext zu machen, der sollte heute Abend oder immer dienstags beim wöchentlichen Treffen von gegenstrom vorbeischauen: 19 Uhr, Admiralstr. 17 (am Kottbusser Tor)
■ Außerdem diese Woche: Treffen des Berliner KlimaAktionBündnisses – Vernetzung, Austausch und Aktionsplanung rund ums Klima, Mittwoch, den 10. 2. um 19 Uhr in der K9 (Kinzigstr. 9)
■ Im Netz: gegenstromberlin.net