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Archiv-Artikel

FDP steuert ins Abseits

FINANZEN Noch vor der NRW-Landtagswahl und der Steuerschätzung will die Partei ein Konzept für Steuersenkungen vorlegen. Das soll den Abwärtstrend in Umfragen stoppen

Die FDP mache sich „nicht von der Steuerschätzung abhängig. Die ist überbewertet“, so ihr Generalsekretär

AUS BERLIN MATTHIAS LOHRE

Christian Lindner ist eigentlich ein blendender Verkäufer. Wenn der neue FDP-Generalsekretär erklärt, wie seine Partei ihre vielen Probleme bewältigen will, dann klingt das ganz einfach: Das Wirtschaftswachstum werde für die Gegenfinanzierung der geplanten Steuersenkungen sorgen, sagte Lindner am Montag nach der Sitzung des FDP-Präsidiums. Und für die Kommunen, die sich vor weiteren Einnahmeausfällen fürchten, werde sich beizeiten schon ein Finanzierungskonzept finden. Das Dumme ist nur: Immer weniger Menschen nehmen den Freidemokraten noch ihre Versprechungen ab. Im Gegenteil: Nach der eilig anberaumten Krisensitzung der Parteispitze am vergangenen Sonntag wächst die Ratlosigkeit darüber, wie die FDP ihre Ziele erreichen will.

Lindner bekräftigte das überraschende Ergebnis des Treffens von Präsidium und Fraktionsvorstand am Sonntagabend: Noch vor der Steuerschätzung im Mai, nämlich auf ihrem Bundesparteitag am 24. und 25. April, werde die FDP ein Konzept für Steuersenkungen und deren Gegenfinanzierungen präsentieren. Worin das Neue dieses Steuersenkungskonzepts bestehen soll, darüber schwieg der FDP-Generalsekretär: „Ich habe nie gesagt, dass es neu ist. Ich sage nur, dass wir es machen werden.“ Auch die Frage, wie sich Steuersenkungen ohne belastbare Zahlen berechnen lassen, ließ Lindner offen: Seine Partei mache sich da „nicht von der Steuerschätzung im Mai abhängig. Die ist überbewertet.“

Das sieht die CDU ganz anders: „Ich bin sicher, dass wir die abschließenden Entscheidungen über die nächsten Schritte erst im Lichte der Steuerschätzung treffen werden können“, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Das hätten vor drei Wochen die Vorsitzenden der drei Koalitionsparteien so festgelegt.

Jüngere FDP-Politiker suchen einen Ausweg aus dem Dilemma, dass ihre Partei nur über ihre Forderung nach Steuersenkungen wahrgenommen wird. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sagte der taz: „Zum Konzept, das wir auf dem Parteitag präsentieren wollen, zählen ja auch mehr Hinzuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger und die Zusammenfassung von Transferleistungen. Das gehört auch zu unserer Losung ‚Arbeit muss sich wieder lohnen‘.“

Mit ihrem Steuervorstoß versucht die Partei, ihren schwindenden Rückhalt in der Bevölkerung noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai wiederaufzubauen. In mehreren Umfragen kommt die FDP bundesweit nur noch auf 8 bis 9 Prozent. Im einwohnerstärksten Bundesland droht gar das Ende der schwarz-gelben Regierung.

Zwar lobte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) am Montag, wie gut er mit der FDP in den vergangenen Jahren zusammengearbeitet habe, und fügte hinzu: „Das möchte ich fortsetzen.“ Doch hatte Rüttgers noch am Wochenende gedroht, er werde Steuersenkungen auf Kosten der Kommunen im Bundesrat nicht mittragen.

Viele Kommunen fürchten, sie müssten für die Steuersenkungspläne der FDP bezahlen: mit sinkenden Steuereinnahmen und Kürzungen bei Bädern und Bibliotheken beispielsweise. Dem will die Partei bereits bis zum März mit einem Konzept zur Entlastung von Städten und Gemeinden begegnen. „Die kommunalen Finanzen bedürfen dringend einer generellen Neuausrichtung“, sagt die kommunalpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, der taz. Die schwankenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer seien „nicht nur kein verlässliches Fundament für die kommunalen Haushalte“, sondern „in Zeiten der Krise für viele Kommunen schlicht existenzbedrohend“, urteilt Piltz. „Wir setzen uns dafür ein, dass die Kommunen für ihre vielfältigen Aufgaben eine bessere Finanzausstattung erhalten.“

Doch das würde wohl weitere Kosten verursachen, und deren Gegenfinanzierung bleibt unklar. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kommission, die sich um die Reform der Gemeindefinanzen kümmern soll, gibt es noch gar nicht.

Die Grünen wollen sich die Chance zum Angriff auf ihren schwächelnden Hauptkonkurrenten nicht entgehen lassen. Am Montag haben sie zu den Steuersenkungsplänen der FDP eine aktuelle Stunde beantragt.