: Lighter than Orange
FILMPROJEKT Die Folgen des Vietnamkriegs dauern an
■ 23. Mai: Aufführung des Films „Lighter than Orange“, um 19 Uhr, im Institut für Auslandsbeziehungen, Linienstraße 139/140
■ 23. bis 26. Mai: Stand von Sodi auf dem Kenako-Festival auf dem Alexanderplatz
■ Im Netz: www.lighterthanorange.com
Do Duc Diu läuft hinauf zum Hügel hinter dem Haus seiner Familie. Er wohnt in einem kleinen Dorf in der zentralvietnamesischen Provinz Quang Binh. Auf dem Hügel steht eine kleine Grabstätte mit zwölf roten Steinen. „Dies sind die Gräber unserer Kinder“, erzählt Diu.
Es ist eine von unzähligen Geschichten vietnamesischer Veteranen und ihren Familien, die die Folgen des Krieges nicht loslassen. Ein deutsch-vietnamesisches Filmteam hat sich im März 2012 nach Vietnam begeben, um Geschichten wie diese festzuhalten. Es sind die Geschichten von Menschen, die bis heute durch den militärischen Einsatz von Herbiziden wie Agent Orange erkranken. In den 60er und 70er Jahren versprühte das US-Militär Millionen Liter chemischer Kampfstoffe über Regenwäldern und Reisfeldern, um Feindbewegungen aufzuspüren und der ländlichen Bevölkerung die Nahrungsmittelgrundlage zu entziehen. Das in den Herbiziden enthaltene Dioxin löste in der Folge Krankheiten, körperliche und geistige Behinderungen und Erbgutschädigungen bei Millionen von Menschen aus. In einigen Orten wurden die Böden nachhaltig vergiftet.
Regisseur Matthias Leupold, Rektor der Berliner Technischen Kunsthochschule, kam zum ersten Mal 2011 mit der Thematik in Berührung. Er arbeitete mit einigen seiner Studenten für eine Woche im „Dorf der Freundschaft“ in Hanoi. Dieses Dorf bietet etwa 100 besonders betroffenen Kindern und 50 Veteranen ein Zuhause auf Zeit. „Zuerst verstörte es mich, die Schädigungen bei den Kindern zu sehen. Aber nach einigen Tagen im Dorf änderte sich der Eindruck und enge Bindungen entstanden“, berichtet Leupold. Im Gedächtnis blieben ihm vor allem die Veteranen, mit denen er kein einziges Gespräch führte, über die er aber mehr erfahren wollte. So entstand die Idee zu dem Film „lighter than orange“, einem filmischen Dokument, das in einer ersten Version an diesem Donnerstag, den 23. Mai zum ersten mal in Berlin öffentlich aufgeführt wird.
Zu den ersten Unterstützern des Projekts gehörte die Berliner Stiftung Umverteilen. „Anfangs zögerten wir, denn normalerweise fördern wir nur lokale Projekte vor Ort“, erzählt Sven Hansen, Stiftungsmitglied und taz-Auslandsredakteur. „Aber dieses Vorhaben ist eine Ausnahme, denn es beleuchtet die vietnamesische Perspektive der Geschehnisse. Viel zu oft kommen Vietnamesen in Filmen über den Krieg nur als Fototapete und Kanonenfutter vor. In diesem Film erzählen diese Menschen über ihr Leben.“ Hansen besuchte das Dorf selbst erstmals 2004 und berichtete ausführlich über die Problematik in der taz.
Von der langwierigen Schadensbeseitigung kann auch Dörte Lüneberg von der Berliner NGO Sodi berichten. Sodi ist seit 1998 in Vietnam aktiv, räumt dort Minen und Blindgänger und führt verschiedene Entwicklungsprojekte in den betroffenen Gebieten durch. „Die Folgen des Krieges sind in bestimmten Gegenden noch deutlich zu spüren. Allein unsere Teams räumen jährlich mehr als 300 Hektar Land und vernichten dort knapp 19.000 Blindgänger. Es werden noch Jahrzehnte vergehen, bis alle Gebiete sicher sind“, so Lüneberg. In diesem Jahr wollen die USA nun erstmals selbst Minenräumexperten nach Vietnam schicken. Es wäre ein weiterer kleiner Schritt in Richtung Wiedergutmachung.
Die Berichte der Veteranen und ihrer Familien zeigen, dass die Betroffenen umgehend direkte Unterstützung brauchen. Die Erlöse aus dem Film und noch einzuwerbende Spenden sollen ihnen zugute kommen. Etwa der auf einer Körperhälfte gelähmten und geistig behinderten Tochter von Do Duc Diu, eines der drei lebenden Kinder des Veteranen. Er selbst fragt in die Kamera, was mit ihr geschehen wird, wenn er einmal nicht mehr ist. FELIX KLICKERMANN