: Obama will weniger Zivilisten töten
USA Der US-Präsident kündigt eine Neuorientierung der Drohnenpolitik im „Krieg gegen den Terror“ an. Die CIA soll sich wieder mehr um klassische Geheimdienstarbeit kümmern, und das Gefangenenlager Guantánamo soll künftig ein bisschen leerer werden
VON BERND PICKERT
BERLIN taz | Bei einer Rede in der National Defense University wollte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag eine Neuorientierung der US-Drohnenpolitik bekannt geben. Der Einsatz unbemannter Drohnen gegen mutmaßliche Kämpfer oder Anführer von al-Qaida hatte in den vergangenen Jahren im Zentrum des sogenannten Kriegs gegen den Terror gestanden, insbesondere auf dem Territorium von Ländern, die sich mit den USA nicht im Krieg befinden: Pakistan, Somalia, Jemen.
Künftig sollen Drohneneinsätze nicht mehr unter der Ägide der CIA stattfinden, erfuhr die New York Times vorab, sondern dem Verteidigungsministerium zugeordnet werden, während die CIA sich wieder mehr auf klassische Geheimdienstarbeit konzentrieren soll. Und: Die Richtlinien zum Einsatz von Drohnen sollen verändert werden. In einem Brief an Mitglieder des Justizausschusses erklärte Justizminister Eric Holder am Mittwoch, Präsident Obama habe in dieser Woche ein Dokument gebilligt, in dem die Kriterien für den Einsatz von Drohnen genau festgelegt seien.
Es soll künftig nicht mehr ausreichen, Al-Qaida-Kämpfer an einem Ort oder in einem Wagen zu vermuten. Tödliche Gewalt durch Drohnen soll nur dann angewandt werden, wenn eine Festnahme nicht möglich ist, wenn die Zielperson eine „andauernde, unmittelbare Bedrohung für Amerikaner“ darstelle und wenn keine gangbaren Alternativen zum Drohneneinsatz existieren. Auch solle es in jedem Fall eine klare Rechtsgrundlage für den Einsatz geben. Die ist bislang völkerrechtlich allerdings umstritten.
Im gleichen Brief erkannte Holder zum ersten Mal offiziell an, dass die USA in den vergangenen Jahren auch vier US-Amerikaner durch Drohneneinsätze getötet haben. Drei von ihnen, Anwar al-Awlaki, sein 16-jähriger Sohn und ein weiterer jemenitischer US-Amerikaner starben 2011 bei einem Drohnenangriff im Jemen, der vierte in Pakistan.
Alle diese Einsätze seien „auf dem Boden eines fremden Landes“ zulässig, wenn die US-Regierung genau ermittelt habe, „dass von dem Individuum die unmittelbare Bedrohung eines gewaltsamen Angriffs gegen die USA“ ausgehe, eine Verhaftung nicht möglich sei und die Operation im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht stehe, erklärte Holder.
Die höhere Schwelle für den Einsatz von Drohnen soll unter anderem dazu dienen, die Zahl getöteter Zivilisten zu senken. Immer wieder waren Dutzende Unbeteiligter bei Drohnenangriffen ums Leben gekommen. Erst vor wenigen Wochen hatte ein jemenitischer Student vor dem US-Kongress ausgesagt, wie sehr ein Drohnenangriff, bei dem Teile seiner Familie ums Leben gekommen waren, dem Ansehen der USA schadeten.
Laut New York Times wollte Obama in seiner Rede auch seinen Wunsch erneuern, dass Gefangenenlager in Guantánamo zu schließen. Von den derzeit noch 166 Gefangenen befinden sich mindestens 103 im Hungerstreik, die meisten werden zwangsernährt. Die meisten Häftlinge kommen aus dem Jemen. Gegen sie liegt nichts vor, das Militär hat kein weiteres Interesse an ihnen – aber weil die USA keine Gefangenen Richtung Jemen entlassen, sitzen sie weiter auf Kuba fest. Das will Obama jetzt offenbar ändern. Ein ranghohes Mitglied des Außenministeriums soll als Sonderbeauftragter für Guantánamo ernannt werden, um zumindest die Zahl der dortigen Gefangenen rasch zu verkleinern.
Meinung + Diskussion SEITE 12