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Archiv-Artikel

Versöhnung mit dem Ego

ARJEN ROBBEN Der Sündenbock der Finalniederlage von München wird zum Helden von London. Eine Genugtuung für den Niederländer

LONDON taz | Es hätte fast schon ein Blick in dieses Gesicht des Glücks genügt, um seine Geschichte zu verstehen. Arjen Robben strahlte nicht einfach durch sein Lächeln, sondern von innen. Und spätestens, als sich mit einem Radioreporter ein Dialog entspann, in dem sich der Niederländer zum Partybeauftragten des FC Bayern aufschwang und die Agenda für die Zeit nach der Ankunft in München am späten Sonntagnachmittag diktieren wollte, da erzählte jedes seiner Worte die Geschichte eines Kickers, der sich gerade mit seiner Vergangenheit versöhnt hat.

Der Dialog nach dem 2:1 im Finale der Champions League gegen Borussia Dortmund in den Gängen des Wembley-Stadions ging so: „Ist es nicht verrückt, dass am Sonntagabend nicht gefeiert werden soll?“, fragte der Reporter. Robben erwiderte: „Glauben Sie das wirklich?“ Trainer Jupp Heynckes hätte das ja so entschieden, erwiderte der Mann vom Radio. „Ganz ehrlich“, sagte Robben nun, „wir haben das ganze Jahr unserem Trainer sehr gut zugehört. Ich glaube, jetzt dürfen wir ein bisschen entscheiden.“

Der Reporter konnte sein Glück kaum fassen. Solch eine Renitenz erlebt man selten beim FC Bayern. Ob er den Hörern vielleicht noch etwas mitteilen wolle, nach dem Motto: Wir freuen uns, wenn ihr kommt?, lockte er also weiter. „Na klar, sie dürfen kommen. Ich meine, es ist doch gut. Wir haben die Champions League gewonnen, was will man noch mehr?“ Das Triple, erinnerte der Reporter, durch einen Sieg im Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart. Klar wolle man das, sagte Robben, „aber wenn wir jetzt zwei, drei Tage feiern, glauben Sie, dass wir dann Samstag nicht gut sein werden?“ Der Reporter verneinte. Und Robben sagte: „Ich glaube das auch nicht.“ Dann entschwand er vergnügt in die lange Partynacht.

Es ist vorab viel vom Trauma der Bayern die Rede gewesen, von dieser epischen Finalniederlage aus dem Vorjahr gegen Chelsea. Bastian Schweinsteiger war damals das Gesicht des Dramas, weil er den letzten Elfmeter an den Pfosten gesetzt hatte. Aber Robben galt den Fans als der Schuldige. Sie haben ihn kurz darauf bei einem unbedeutenden Testkick niedergepfiffen. Sein Vergehen: Er hatte in der Verlängerung einen Elfmeter verschossen. Und diesmal? Hatte er das Siegtor in der 89. Minute erzielt, das Tor zum lang ersehnten Titel in Europa. Die Debatte um sein ausgeprägtes Ego, seine zornigen Sprints aus der Kabine nach vielen Spielen, in denen er nicht mitmachen durfte – all das war nun vergessen.

Robben erinnerte an die verlorenen Finals von 2010 und 2012 und an das der WM 2010: „Wenn du ein Spiel so beenden kannst, ist das ein Traum. Du kannst natürlich nicht vergessen, was passiert ist. Und dann kommt das alles hoch. Ich will nicht sagen: deine ganze Karriere, aber diese Momente. Und wenn du das dann schaffst, dann ist das, ja – Wahnsinn. Mit diesem Titel kann man das andere ein bisschen wegschieben.“ MAIK ROSNER