Klima-Nachhilfe für Politiker

KONFERENZ Wissenschaftler wollen die konkreten Folgen der Erderwärmung besser voraussagen können. Internationale Kooperation mit „Entscheidern“ soll künftig Verhandlungen unter Druck setzen

Nicht nur arme Länder sind gefährdet, auch Europa drohen Wohlstandsverluste

POTSDAM taz | „Beim Klimawandel wissen wir genug, um zu handeln“, sagt Joe Alcamo, Chef-Wissenschaftler bei der UN-Umweltorganisation Unep, „aber wir müssen noch mehr wissen, um gut zu handeln.“ Anpassung an den Wandel sei in der Landwirtschaft manchmal einfach – „aber wenn wir über große Investitionen reden oder über die Umsiedlung von Menschen, dann müssen wir konkrete Daten haben.“

Diese Informationen will eine internationale Allianz aus Wissenschaftlern und „Entscheidern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“ in Zukunft liefern. Zur weltweit ersten „Internationalen Klimafolgen-Konferenz“ treffen sich deshalb Hunderte von Experten aus der ganzen Welt noch bis Donnerstag in Potsdam.

Und von Prinz Charles, klimaschonend per Videokonferenz dazugeschaltet, bis EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard wollen alle am großen Bild arbeiten: an Szenarien, welche konkrete Auswirkungen auf Ackerbau, Stadtplanung oder Wasserversorgung der Klimawandel in den einzelnen Weltregionen haben kann. Solche Voraussagen, wie eine Welt mit 2, 3, 4 oder mehr Grad Celsius zusätzlicher Erwärmung aussehen kann, sollten dazu beitragen, dass Gesellschaften ihre Widerstandsfähigkeit erhöhen können, sagte der Gastgeber der Konferenz, Hans Joachim Schellnhuber, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Und vor allem sollten „den Politikern die Auswirkungen ihrer politischen Entscheidungen“ plastisch klargemacht werden.

Die Allianz ist ein weiterer Versuch, die weltweit festgefahrenen Klimaverhandlungen ein bisschen in Bewegung zu bringen. Ab September beginnt der UN-Klimarat IPCC mit der Veröffentlichung seines nächsten Berichts, gerade wurde die historische Grenze von 400 ppm CO2 in der Atmosphäre überschritten – und Schellnhuber musste trotzdem auf Fragen antworten, warum die Erwärmung der Atmosphäre derzeit langsamer vorangeht als gedacht. Er warnte vor allem vor der Vorstellung, der Klimawandel bedrohe nur die Armen: „Auch in Europa kann ein ungebremster Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten die Hälfte des Wohlstandszuwachses auffressen.“ Blind handeln sei aber auch gefährlich: Wer in Infrastruktur investiere, ohne Genaues über die Zukunft zu wissen, könne viel Geld verlieren.

Wie wichtig Vorhersagen sein können, demonstrierte die Vizechefin der Weltbank, Rachel Kyte, anhand eines Beispiels: „2 Grad mehr kann heißen, dass ein Kaffeebauer seine Bäume weiter oben am Berg pflanzen muss. 4 Grad mehr kann bedeuten, dass er das Kaffeegeschäft aufgibt.“ BERNHARD PÖTTER