Zum Nachbeter geworden

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Dank für Ihre scharfe Analyse der wohlfeilen linken Antibürgerlichkeit, die sich im Nachbeten von „guten“ Ansichten und im Tragen von „revolutionärem“ Outfit eingerichtet hat. In Bezug auf das oft und fast immer falsch zitierte Sekundärtugenden-Zitat des Oskar Lafontaine sind Sie aber selbst zum Nachbeter geworden: Die Story „Mein Sozi für die Zukunft“ im Stern vom 15. Juli 1982 entstand in Gesprächen mit Jürgen Serke, die eine Woche dauerten. Einmal zitiert Lafontaine Carl Amerys Sätze um die Verwicklungen des deutschen Katholizismus im „Dritten Reich“, die Amery mit dem Begriff der „Sekundärtugenden“ zu fassen versucht, an einem anderen Tag tadelt Lafontaine die Politik Helmut Schmidts. In der redaktionellen Bearbeitung des Stern wurden diese zwei Aspekte räumlich zusammengeschoben, aber erst die Bild ließ die erklärenden Zwischensätze ganz weg und provozierte den Skandal. Lafontaine klagte erfolgreich gegen Bild, die eine Gegendarstellung drucken musste. In meiner Biografie über Oskar Lafontaine („Provokation und Politik“, Braunschweig 2004) lässt sich dieser Sachverhalt nachlesen, auch dass Helmut Schmidt seit den innerparteilichen Auseinandersetzungen um den Nato-Doppelbeschluss schlecht auf Lafontaine zu sprechen ist und mehrfach öffentlich sein Mütchen an Lafontaine gekühlt hat. Und ob Lafontaine nicht gerade der bürgerliche Linke ist, den Sie fordern, möchte ich dahingestellt lassen. JOACHIM HOELL, Berlin