: Sprechstunde für Obdachlose – nicht nur in eisigen Zeiten
In den beiden Arztpraxen der „MUT Gesellschaft für Gesundheit“ werden Wohnungslose kostenlos und auf Wunsch auch anonym behandelt
Die Kälte hat Berlin fest im Griff – besonders leiden diejenigen, die nicht in die Wärme flüchten können, weil sie obdachlos sind. Zwischen 7.000 und 10.000 Berliner haben laut der Senatsstatistik keinen festen Wohnsitz, 2.000 leben auf der Straße. Die Dunkelziffer ist jedoch wesentlich höher, sagte Helga Schick, die Geschäftsführerin von MUT Gesellschaft für Gesundheit. Die Gesellschaft betreibt zwei allgemeinmedizinische Arztpraxen für Obdachlose – eine am Ostbahnhof, eine in Lichtenberg. Seit ihrer Gründung 1994 wurden dort 11.500 Wohnungslose betreut, so Helga Schick. Insgesamt führten die fünf Ärzte rund 60.000 Behandlungen durch. Zudem eröffnete die Gesellschaft 1999 die erste – und bisher in Europa einzige – Zahnarztpraxis für Obdachlose. Seitdem seien 10.500 Arztbesuche gezählt worden.
Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei) nannte die Arbeit in den Praxen „unverzichtbar und wichtig“. „Hier werden nicht nur Pflaster geklebt“, so Knake-Werner, „sondern mit guten Worten die Seele ein bisschen gestreichelt“.
Nur rund 15 Prozent der Patienten sind krankenversichert, sagte Schick. Alle anderen werden kostenlos behandelt, und wenn sie wollen, auch anonym. Die meisten leiden an Hauterkrankungen oder den Folgen von Unfällen und Gewalt sowie an Krankheiten der Atemwege. Außer der medizinischen Versorgung erhalten die Obdachlosen dort Kleidung und dreimal am Tag eine Mahlzeit. In beiden Praxen arbeitet auch eine Sozialarbeiterin, die zusammen mit den Wohnungslosen nach Möglichkeiten sucht, in ein „normales“ Leben zurückzufinden.
Die Praxen entstanden als Projekt „Niederschwellige medizinische und sozialpflegerische Betreuung von Obdachlosen“ mit Bewilligung des Arbeitsamtes in Mitte. Die Kosten für Unterhalt und den laufenden Betrieb werden ausschließlich aus Spenden finanziert. Die MUT Gesellschaft für Gesundheit ist eine gemeinnützige Tochtergesellschaft der Ärztekammer Berlin.
SANDRA COURANT