: „Aus Not zu den Sternen“
BAHÍA DE CARÁQUEZ Wer eine Stadt mit ökologischem Modellcharakter sucht, ist hier bestens aufgehoben
■ Anreise/Einreise: Mehrmals wöchentlich nach Quito mit LAN ab Frankfurt a. M. über Madrid, mit KLM ab Amsterdam über Bonaire, ab 772 Euro. Visum nicht erforderlich, gültiger Reisepass genügt.
■ Reisezeit Tropisches Klima am Äquator ermöglicht eine ganzjährige Reisezeit. In den Höhenlagen der Anden kühlere Regionen.
■ Reisebuchung In Ecuador: www.surtrek.com, alfonso@surtrek.com und www.eprtravel.com, rikydavila@hotmail.com In Deutschland: www.lernidee.de, team@lernidee.de und www.windrose.de, gehlen@windrose.de
■ Ökolodge Chirije Ecolodge, Chirije@telconet.net, Cabana-Anlage direkt am Meeresstrand, 15 Kilometer südlich von Bahía, rustikal eingerichtete Cabanas mit Solarenergie, ab 30 Euro p. P.
■ Auskunft Ecuadorianische Zentrale für Tourismus, BZ.COMM GmbH, Beate Zwermann & Felix Knothe, Robert-Bosch-Str. 28, 63225 Langen, Tel. (0 61 03) 8 33 56-68, Fax -70, www.visitecuador.de, ecuador@bz-comm.de
■ Literatur Lonely Planet: Denny Palmerlee u. a., „Ecuador & the Galapagos Islands“, ISBN 1-74104-295-x; Reise-Knowhow: Wolfgang Falkenberg, „Ecuador und Galapagos“, ISBN 978-3-8317-1709-5.
VON BERND KREGEL
Ein Indianer kennt keinen Schmerz? Dieser schon! Auf einem robusten Holzfloß erreichte er einst aus der Weite des Pazifischen Ozeans kommend die ecuadorianische Küste – mit all ihren Naturschätzen ein paradiesisches Land. Nun aber muss er mit ansehen, wie es durch Naturzerstörung, besonders durch Abholzung, stark gelitten hat. Eine Träne läuft ihm über die Wange.
So oder ähnlich könnte ein TV-Werbespot aussehen, mit dem Patricio Tamariz seine ecuadorianischen Landsleute auf die drängenden ökologischen Probleme seines Landes aufmerksam machen will. Am eigenen Leibe hatte er erfahren müssen, was die Zerstörung der Lebensgrundlagen für eine Region und ihre Bewohner bedeutet. Denn zehn Jahre ist es her, als der berüchtigte „El Niño“ seine Heimatstadt Bahía de Caráquez mit Wassermassen und Schlammlawinen unter sich begrub.
Die gesamte Infrastruktur der Stadt war zerstört. Und was sich dem Angriff der Natur noch hatte widersetzen können, wurde wenige Monate später von einem ungewöhnlich starken Erdbeben in die Knie gezwungen. Todesopfer waren zu beklagen und Verzweiflung machte sich breit unter der obdachlosen Bevölkerung.
Mit ausgestrecktem Arm macht Patricio nun vom höchsten Aussichtspunkt der Stadt, einem alles überragenden riesigen Kreuz, das Ausmaß der einstigen Verwüstung deutlich. Er zeigt auf die lang gestreckte sandige Landzunge, auf der die zerstörte Stadt in den letzten Jahren wieder aufgebaut wurde. Auf ihrer einen Seite der gegen die Uferkante anbrandende Pazifische Ozean. Und auf der anderen der Mündungstrichter des Flusses Chone, der sich vorbei an kleinen Mangroveninseln seinen Weg ins offene Meer bahnt. Er berichtet, wie angesichts der Zerstörung damals die Bevölkerung nicht im Zustand der Lähmung verharrte. So setzte der Überlebenswille einer ganzen Stadtbevölkerung ungeahnte Kräfte frei. In dieser schweren Zeit, so Patricio, bedurfte es einer Vision.
Gedacht, getan! Die Idee einer „Ökostadt“ war geboren, ein Geistesblitz, auf den Patricio als Urheber noch heute stolz ist. Das anfangs noch nicht klar definierte Konzept gewann schnell immer deutlichere Konturen und wurde bereits wenig später als Leitmotiv den städtischen Richtlinien für den Wiederaufbau Bahías vorangestellt. „Aus der Not hinauf zu den Sternen“. Und alle diese Bemühungen sollten „einmünden in einen nachhaltigen Tourismusplan“.
Um gelungene Beispiele ist Patricio nicht verlegen. Benzin sparende Fortbewegung schwebte ihm damals vor, und er zeigt dabei auf die vielen dreirädrigen Fahrradtaxen, die unten auf den Straßen unterwegs sind. Auch Sauberkeit und Sicherheit sollten dem großen Ziel dienen, und er verweist auf die Statistik, die Bahía heute als die Stadt mit der geringsten Kriminalitätsrate im Land ausweist.
Rechtfertigen diese nicht zu leugnenden Fortschritte aber schon die Ehrenbezeichnung einer Ökostadt? Als wolle er auch diesen Zweifel im Kein ersticken, lädt Patricio ein zu einem Ausflug auf die Mangroveninsel. Mit einem Motorboot geht es hinüber zur Isla Corazón. Keine herkömmliche Insel, vielmehr das Ergebnis gewissenhafter Aufforstungsarbeit, bei der die Mangrovengrundfläche im Vergleich zu der Zeit vor der Zerstörung sogar noch vergrößert werden konnte. Ein bequemer Laufsteg führt durch das Dickicht des Mangrovenwaldes zu einem hohen Aussichtsturm, von dem aus sich das Panorama der Bucht über das Blätterdach hinweg erschließt.
Doch die Hauptattraktion wird erst vom dreisitzigen Ruderboot aus erkennbar. Der Weg führt hinein in die von Mangrovenwurzeln gebildeten engen Tunnelröhren, die sich irgendwann öffnen und den Blick freigeben auf die größte Fregattvogelkolonie des Landes. Gerade ist Paarungszeit, die die schwarzen Tiere mit den markanten roten Ballons unter dem Schnabel zu einem staksigen Imponierwerbeverhalten verleitet. Demgegenüber die eleganten weißen Reiher, die ebenfalls lautstark kreischend die Baumwipfel des Mangrovenwaldes mit ihren Brutkolonien füllen. Es ist offensichtlich: Die Wiederherstellung dieses umfassenden natürlichen Lebensraumes kann in jedem Fall als ein respektabler ökologischer Erfolg gewertet werden.
Und nicht nur hier. Patricio lädt ein zur Fortsetzung des Ausflugs in die Shrimpsfarmen, die ersten des Landes, die bereits vor mehreren Jahrzehnten einen nennenswerten Export ins Ausland ermöglichten. Die Fahrtroute führt vorbei an weitläufigen Wasserflächen, die sogleich Patricios tiefes Missfallen erregen. Der Grund dafür wird wenig später erkennbar bei alternativen Aufzuchtbecken, die von dichten Mangrovenreihen eingerahmt werden und Platz schaffen für ein reges gefiedertes Tierleben. In der Tat: ein gewaltiger Unterschied, der verdeutlicht, was gezielte ökologische Handlungsweise zu bewirken vermag.
Und noch einen weiteren Trumpf hält Patricio bereit. Dann am nächsten Morgen schlägt er einen Abstecher vor entlang der Pazifikküste in Richtung Süden nach Chirije. Hinter diesem indianischen Namen verbirgt sich eine romantische Cabana-Anlage, die mit dem Fahrzeug nur bei Ebbe zu erreichen ist, da die Zufahrt am Strand entlang erfolgt, auf dem während der Flut hohe Brecher auslaufen. Patricio, das wird schnell klar, versteht Chirije als Musterbeispiel für Ökotourismus mit einem attraktiven Angebot an Unterkünften und Freizeitmöglichkeiten, wie geschaffen als paradiesisches Refugium für ökokulturellen Urlaub. Die Anlage selbst mit ihren wohnlichen und von Blüten bewachsenen Bambuscabanas lädt dazu ein, aus einer Hängematte nach vorüberziehenden Walen Ausschau zu halten.
Aber mit der Brandung vor der Tür ist natürlich auch Schwimmen und Surfen angesagt. Und da die Anlage innerhalb eines präkolumbianischen Ausgrabungsfeldes liegt, bietet sich die Möglichkeit, unter fachkundiger Anleitung Heinrich Schliemann zu spielen, um die Sammlung des kleinen Chirije-Museums mit neuen Fundstücken zu ergänzen.
Vielleicht entdeckt man dabei sogar eine der vielen roten Stachelaustern, die auffallend häufig in präkolumbianischen Erdschichten freigelegt werden. Diese wunderschöne Auster mit dem lateinischen Namen Spondylus war damals für die indianischen Küstenbewohner ein Tauschmittel auf ihren Handelsrouten von Mexiko bis hinunter nach Chile, das mit Gold und Silber aufgewogen wurde. In Anlehnung daran nennt sich die Küstenregion Ecuadors heute „Ruta del Spondylus“.
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