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Archiv-Artikel

Deutschland auf neuen Wegen

RADFERNWEGE Damit ist die Republik eigentlich gut versorgt, aber jetzt soll’s noch besser werden: Gedacht für längere Touren kreuz und quer durch Deutschland, von Grenze zu Grenze, entsteht das D-Routen-Netz

Wer Deutschland per Rad verlassen möchte, ist auf D-Routen gut aufgehoben

VON HELMUT DACHALE

Deutschland, ein einziger Radweg. Womit nicht der innerstädtische Holperparcours gemeint ist, zumeist kaum breiter als ein Handtuch und dazu noch vollgeparkt. Vielmehr der Weser- oder Aller-Radweg, der Ochsenweg oder auch der Kraut-und-Rüben-Radweg, der tatsächlich so heißt und pfälzische Gemüseäcker und Obstplantagen erschließt. Derartige Radwege, postuliert der Fachausschuss Tourismus des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) sind „überregionale, beschilderte Radrouten, die vornehmlich dem touristischen Fahrradverkehr dienen und bestimmte Mindeststandards aufweisen“. So sollten sie mindestens 150 Kilometer lang sein und sich durch „naturnahe Routenführung“ auszeichnen. Rund 230 innerdeutsche Strecken bieten sich zurzeit als Radfernwege an, aber aufgepasst, sagt Wolfgang Richter, Tourismus-Referent beim ADFC: „Es gibt Qualitätsunterschiede.“

In der aktuellen Auflage von „Deutschland per Rad entdecken“ (2013/14) präsentiert der ADFC wieder eine vorzeigbare Auswahl mit einer Gesamtstrecke von rund 50.000 Kilometern. Und so ganz nebenbei erfährt man in der umfangreichen Broschüre, dass die Radwegsplaner schon seit Längerem an einem ganz großen Rad drehen. Ihre Vision: ein D-Routen-Netz. Bestehend aus zwölf „Premiumrouten“, so Richter, die zwischen Bayern und dem hohen Norden, dem äußersten Westen und dem Osten als Fahrrad-Direktverbindungen fungieren sollen. Und nach Möglichkeit auch noch europäisch eingebettet sind. Wer also Deutschland per Rad verlassen möchte: D-Route. Denn so könnte man sich darauf verlassen, dass auch hinter der Staatsgrenze die gleichen Orientierungsschilder den Weg weisen.

Allerdings: Bei der Verwirklichung wird der Radwegebau nicht neu erfunden, vornehmlich werden bereits bestehende Radwege mittels einheitlicher Wegweisung zusammengeführt. Es werden also Megastrecken entstehen, sukzessive. Als vollendet gelten bisher die D-Route 12, der Oder-Neiße-Radweg (628 Kilometer), und die Nr. 3, der eigentliche Vorzeigekandidat. „Schön und gut“, lesen wir dazu in „Deutschland per Rad entdecken“ – „aber wozu das alles?“

Gute Frage. Wolfgang Richter beantwortet sie in etwa so: Premiumrouten bieten den Radtouristen Qualität. Eben durch ihre durchgängige Ausschilderung, aber etwa auch durch die hohe Dichte von fahrradfreundlicher Gastronomie. Und deshalb sind sie wie geschaffen für die internationale Vermarktung. So dürfte es nicht erstaunen, dass die D-Route 3 als ein Gemeinschaftswerk realisiert worden ist, das der Deutsche Tourismusverband koordiniert hat. Ein Pilotprojekt mit Referenzcharakter, an dem auch der ADFC beteiligt war. Mittlerweile hat er sie offiziell begutachtet und mit drei Sternen ausgezeichnet. Die Bundesminister für Verkehr und Wirtschaft haben das Projekt finanziell unterstützt. Gut so, meint Raimund Jennert, stellvertretender ADFC-Bundesvorsitzender, denn Fahrradtourismus sei „ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Deutschland, und gerade im ländlichen Raum sehr wichtig für mittelständische Betriebe“. Jennert bezieht sich dabei auf ein ähnliches Bekenntnis des Bundestages, das der kürzlich als Beschluss verabschiedete.

Zurück zur D-Route 3, für Wolfgang Richter die „bedeutendste West-Ost-Verbindung für Radtouristen“. Über 960 Kilometer führt sie zwar nicht gerade von der Maas bis an die Memel, aber doch von der niederländischen zur polnischen Grenze. Dazwischen liegen Ebenen, Flusslandschaften, aber auch Hügel und Berge, und irgendwann geht’s mitten durch Berlin. Wenn man denn das alles will.

Am Hauptbahnhof von Gütersloh stehen drei Radtouristen mit gut beladenen Fahrrädern, Männer im fortgeschrittenen Alter. Holländer, die bereits etliche Kilometer zurückgelegt haben, um überhaupt den deutschen Startpunkt der D 3, Vreden im westlichen Münsterland, zu erreichen. Und nun möchten sie am liebsten irgendeinen Zug nehmen. Richtung Osten. In drei Stunden wären sie in Goslar, müssten zwar in Hannover umsteigen, aber die Züge transportieren halt auch Fahrräder. Verlockend, denn damit hätten sie das Weserbergland und den halben Harz elegant überbrückt. „Für uns zu steil, zu anstrengend“, grinst einer der drei, „wir kommen ja aus dem Flachland.“ Aber das Gute an diesem Radweg seien nicht zuletzt die Bahnhöfe. „Die findet man ja überall.“

■ „Deutschland per Rad entdecken“ 2013/14, hg. vom ADFC, 92 Seiten. Infos zu Radfernwegen und Radregionen. Kostenlos in vielen Fahrrad- und ADFC-Info-Läden