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Archiv-Artikel

„Die wollen was erleben“

Vortrag Wie Rentner die Gentrifizierung vorantreiben, erklärt ein Stadtsoziologe

Von EIB
Albrecht Göschel

■ 72, ist Stadt- und Kultursoziologe und lebt in Berlin.

taz: Herr Göschel, welche Probleme bringt der demografische Wandel den Städten?

Albrecht Göschel: Die demografische Entwicklung lässt in unserer Gesellschaft keinen Stein auf dem anderen, das kommt aber erst langsam in unserem Bewusstsein an. Meistens geht es um Renten oder die Medizin. Dass die zunehmende Segregation in den Städten etwas mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen zu tun hat, ist recht unbekannt.

In der Tat. Wo ist der Zusammenhang?

Es gibt eine statistisch belegte Bewegung von Rentnern in die Metropolen. Das sind aber keine Leute, die still und bescheiden in Altenheimen am Stadtrand auf den Tod warten wollen, sondern sie suchen die Erlebnisdimension der Stadt. Die wollen ihr Leben genießen, an allem teilnehmen.

Das ist ja an sich erst mal kein Problem.

Nein, aber sie wollen die Stadt als sicher erleben und nicht zu fremdartig. So wie sie zum Nordkap reisen – aber mit dem Luxusschiff. Ein abgefedertes Abenteuer. Weil sie wohlhabend genug sind, können sie sich die Wohnungen in den Innenstädten leisten und verstärken den Druck auf den Wohnungsmarkt.

Die Renter sind schuld an der Gentrifizierung.

Nicht alleine. Auch die Doppelverdiener mit wenigen oder gar keinen Kindern tragen dazu bei. Es gibt keine grünen Witwen mehr, die am Stadtrand das Haus hüten. Weil beide berufstätig sind, müssen Wege verkürzt werden.

Und was ist mit dem Mehrgenerationen-Wohnen?

Das ist eine Vorstellung, die nur sehr wenige der Alten haben. Für diese Wohnform muss man sich sehr früh entscheiden. Einem wird ja nur geholfen, wenn man selbst vorher geholfen hat. Ebenso wenig ist diese Generation darauf aus, mit Ehrenämtern das Gemeinwesen zu beleben.  INTERVIEW: EIB

Vortrag: 18 Uhr, City 46, Birkenstraße 1. Hinterher um 20 Uhr läuft der Film „Die Strategie der Schnecke“.