SPORTPLATZ
: Hochwertige Hauereien

BOXEN Bei der Berliner Meisterschaft der Amateurboxer im Sportpark Neukölln geht’s zur Sache. Zwischendrin wird richtig dreckig gekämpft

Zwei gewaltige 100-Kilo-Brocken, sie boxen beide drauflos

Auf zum Faustkampf! Am Wochenende fanden im Sportpark Neukölln die Berliner Amateurboxmeisterschaften statt – ein willkommener Anlass, um sich fernab des Profibetriebs mal wieder hochwertige Hauereien anzusehen. Mit dem Lichtenberger Stefan Härtel und Omar El Hag vom Berliner TSC fehlen leider die beiden besten Berliner Boxer, da sie derzeit bei der Europameisterschaft in Minsk kämpfen.

Die Atmosphäre in der Halle am Werner-Seelenbinder-Sportpark ist angenehm. Etwa 300 Besucher haben sich eingefunden. Auf Show verzichten die Veranstalter fast ganz. Kein Einlaufen mit Mänteln, keine Musik beim Betreten der Halle. Es ist der pure Kampf. Nur zwischendurch läuft leise etwas Retro-Mucke wie Coolios „Gangsta’s Paradise“ oder Michael Jacksons „Dirty Diana“.

Ansonsten: eine schlichte, helle Turnhalle. Der Boxring in der Mitte. Die Boxer kämpfen mit Schutzhelm, die Trainer fiebern am Rand mit. Die Kampfrichter sitzen stoisch an ihren Tischen. Das Publikum schaut meist ruhig zu, es wird ein wenig gefachsimpelt. Nur bei härteren Attacken oder längeren Kombinationen geht ein Johlen durch die Ränge.

Der beste Fight des Samstags ist die Begegnung zwischen dem Herthaner Jamny Kumande und Kevin Debrah (Eintracht Berlin). Dreimal drei Minuten intensivstes Boxen. Kumande, ein 23-jähriger Schwarzer, scheint nur aus Muskeln und null Gramm Fett zu bestehen. Er macht den besseren Eindruck. Links, rechts, links, rechts bearbeitet er Debrah. Der aber ist taktisch versierter: Er landet nicht so viele Treffer, hat aber eine extrem gute Deckung und hält den Schlägen stand. Am Ende siegt Debrah nach Punkten, das Ergebnis der Kampfrichter finden viele in der Halle fragwürdig.

Für das erste Highlight hat zuvor Josef Attanjaoui gesorgt, als er in einem packenden Kampf Yasar Emre (Olympia 75) besiegt. Gegen einen starken Gegner bietet er sauberes, technisch einwandfreies Boxen und gewinnt ebenfalls nach Punkten. Auch Attanjaoui, 20 Jahre alter Berliner, dessen Eltern aus Marokko stammen, ist ein großes Talent. Er boxt in der Bundesliga für Motor Babelsberg.

Im Finale des Halbschwergewichts trifft Attanjaoui nun auf Debrah. Mindestens genauso spannend: Der Auftritt des erst 18-jährigen Mike Fanselow im Schwergewichtsfinale zum Abschluss der Meisterschaften am Sonntagnachmittag.

Gegen Ende des ersten Wettkampftags gibt es im Superschwergewicht dann doch noch richtig dreckiges Boxen. Cengiz Gürbüz und Selchuk Kaya sind zwei gewaltige 100-Kilo-Brocken, sie boxen beide drauflos, ohne Taktierereien. Es ist ein technisch sehr unsauberer Kampf – mit dafür umso mehr Unterhaltungswert.

Boxen hat an der Spree eine lange Tradition, auch aktuell kommt Berlin immerhin noch auf gut 30 Boxvereine. Einer der erfolgreichsten Boxclubs der Vergangenheit kämpft derzeit ökonomisch und sportlich um den Anschluss: Die Boxabteilung von Hertha BSC, ehemaliger Bundesligist und 2009 noch Deutscher Meister, bleibt in diesem Jahr dem Ligabetrieb ganz fern, da der Verein nicht in die Boxabteilung investiert.

Immerhin hat man in Berlin mit Ornella Wahner (Berliner TSC) bei den Frauen und Mike Fanselow bei den Männern zwei hoffnungsvolle Nachwuchskräfte, die beide kürzlich Deutsche Meister in der Jugend wurden. Fanselow kämpft ebenfalls in der Box-Bundesliga für Babelsberg und wurde mit ihnen in dieser Saison Deutscher Vizemeister. Hochwertiges Amateurboxen wird man also zumindest in Babelsberg auch in der nächsten Saison bestaunen können.JENS UTHOFF