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portraitDer Mann mit neuem Tatendrang

Wenigstens bei der Vogelgrippe ist Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) früh dran. In diesen Wochen werden die letzten Chargen seiner 22 Millionen Euro teuren Tamiflu-Bestellung eingelagert. Und letzte Woche hat sich der Minister für 60.000 Euro einen Hühner-Elektroschocker angeschafft. „Wenn die Seuche ausbricht, ist Schnelligkeit Trumpf“, so Schnappaufs Motto, und entsprechend kann die mobile Tiervernichtungsmaschine 4.000 Federviecher pro Stunde töten. Was nicht heißt, dass der Mann Tierquäler ist, er will eben nur nicht tatenlos dastehen, sollte die Vogelgrippe nach Bayern kommen.

Beim Ekelfleisch aus Deggendorf oder Passau dagegen kommt Schnappauf zu spät. Viele Tonnen verfaulten Fleisches sind in den Handel gegangen, darunter als Delikatesse etikettierte Ratten – da half auch seine Rückrufaktion in der letzten Woche nichts mehr. Ob man dem CSU-Mann deswegen eine nachlässige Ressortführung unterstellen kann, ist fraglich. Die Infos über das Gammelfleisch hingen nicht im Ministerium fest, sondern bei Staatsanwaltschaft, Bezirksregierung und örtlicher Kripo – so zumindest der derzeitige Ermittlungsstand.

Einigermaßen offensiv versucht Schnappauf zu retten, was schon verdorben ist. Er selbst hat den Journalisten in den letzten Tagen das Wort „großer Fleischskandal“ in die Blöcke diktiert und eine „klinisch saubere Untersuchungskommission“ versprochen.

Nicht immer war der Minister, der von Stoiber 2003 auch das Ressort Verbraucherschutz übertragen bekam und bereits 1979 den JU-Arbeitskreis „Umwelt und Energie“ gründete, so energisch. Zwar plantschte er schon in den letzte Jahren gerne mit hoch gekrempelten Hosenbeinen in der renaturierten Isar oder stellte sich mit einem DJ in die Münchner Disko „P1“, um eine Aktion gegen Hörschäden zu starten.

Aber erst die Bundestagswahlen im letzten Jahr samt Unwetter machten aus dem promovierten Juristen und ehemaligen Kronacher Landrat einen ernsthaften und entscheidungsfreudigen Politiker. Als im August das Hochwasser in die bayerischen Dörfer schwappte, stapfte er unentwegt mit Gummistiefeln über die Deiche.

Endgültig als Macher profiliert sich der 52-Jährige seit Stoibers Berlin-Eskapaden. Denn er wollte bereitstehen als Nachfolger fürs Innenressort, wenn Günther Beckstein Ministerpräsident geworden wäre. Den Aufstieg hat ihm Stoiber fürs Erste vermasselt, aber jemand, der auf die Frage nach der letzten Arbeitswoche unter 100 Stunden antwortet: „Das ist bestimmt schon 15 Jahre her“, der wird seinen Weg schon noch gehen. MAX HÄGLER

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