: Viel Rauch um Nichts
Die Aufregung um den Vorschlag, Susanne Osthoff mit dem Grimme-Preis auszuzeichnen, zeugt von – Hybris
Beim Adolf-Grimme-Institut im beschaulichen Marl können sie ihr Glück kaum fassen: Da ist Deutschlands begehrtester Fernsehpreis noch gar nicht verliehen, doch Spiegel, Focus und Bild überschlagen sich schon anlässlich der Nominierungen. Es geht natürlich um die Irak-Reisende Susanne Osthoff, die ja nie nominiert, sondern nur für eine solche Nominierung vorgeschlagen war. Der Vorschlag kam aus dem Bauch des Tagesspiegel, der auch exklusiv darüber berichtete.
Und viele andere Medien – auch die taz – griffen die „Nachricht“ auf. Nun sind die Nominierungskommissionen – die den Osthoff-Vorschlag übrigens abblitzen ließ – und auch Grimme-Jurys nicht eben medienfern besetzt: Diverse FachredakteurInnen und TV-AutorInnen geben dort den Ton an, was den Tagesspiegel-Vorstoß in der Tat etwas kühn erscheinen ließ. Zumindest jetzt, wo es mit der Nominierung eben nicht geklappt hat. Und so hat der Tagesspiegel-Medienredakteur Joachim Huber, von dem zwar nicht der Vorschlag, wohl aber die entscheidende Exklusivmeldung stammt, neben dem Hohn der Branche auch noch nicht näher umrissene „disziplinare Maßnahmen“ zu ertragen.
Nach einem längeren Telefonat mit Tagesspiegel-Ko-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff darf man zwar lediglich zitieren, dass es sich „um eine Diskussion handelt, an der keiner Redaktion gelegen sein kann“. Doch der Tagesspiegel sieht sich umstellt: Der aktuelle Spiegel widmet der eigentlich maximal für den Branchenstammtisch taugenden Geschichte kernig-kryptische Sätze („Tagesspiegel“-Herausgeber Giovanni di Lorenzo mochte angesichts des Debakels im eigenen Haus nicht auch noch etwas sagen.“), der Focus schreibt von einer „Zeitung, die Aufmerksamkeit ertrickste“. Bild erregt, dass „trotz heftiger öffentlicher Kritik (…) der Autor der Fernsehpreis-Jury bleibt“. Das stimmt zwar gar nicht – Huber legte sein Jury-Amt vergangenen Freitag nieder. Aber Bild beruft sich ja auch auf Focus. Und hat mit dem Tagesspiegel noch ein ganz anderes Huhn zu rupfen, weil der schon mal zu berichten pflegt, wie behutsam das Boulevardblatt mit kooperationsunwilligen Stars wie Charlotte Roche umgeht.
Ein Grimmegate von ungeahntem Ausmaß. Und eine Hybris sondergleichen: Dass traditionell ein Gutteil der Grimme-Berichterstattung gleich von den praktischerweise in Marl versammelten JurorInnen bestritten wird, hatte trotz feststellbarer unterschwelliger Tendenz bislang jedenfalls noch nie größeren Unmut erregt. Vielleicht wird 2006 ja auch hier alles anders. Eine Regel bleibt: Die „echte“ Grimme-Jury kann immer noch Preis-KandidatInnen nachnominieren. Wir empfehlen Susanne Osthoff. HPI, STG