Tour der schönen Worte von Paul Wolfowitz

Der Weltbankpräsident gab sich gestern in Berlin als Kämpfer für die Armen. Heute kann er zeigen, ob er es ernst meint

BERLIN taz ■ Paul Wolfowitz überraschte mit perfektem Deutsch und ungewohnten Tönen: Als Speerspitze der globalen Armutsbekämpfung präsentierte sich der Falke der US-Regierung gestern in Berlin. „300 Millionen Menschen müssen von weniger als 1 Dollar pro Tag leben. Nur zusammen können wir diese Armut bekämpfen“, forderte Wolfowitz, der seit Juni 2005 Präsident der Weltbank ist. Er fordert mehr Geld für die Entwicklungshilfe und setzt sich gegen Korruption ein – weltweit und in seiner eigenen Organisation.

Rhetorik und PR war die Öffentlichkeit aber auch schon von seinem Vorgänger James Wolfensohn gewohnt. „In bester Weltbankmanier bleibt auch unter Wolfowitz die Armutsbekämpfung auf der Strecke“, sagte Attac-Sprecher Detlev von Larcher. Ein wenig konnte Wolfowitz seine Kritiker aber überraschen, etwa beim Pipelineprojekt im Tschad: „Es hat uns schon erstaunt, dass Wolfowitz aus diesem Katastrophenprojekt ausgestiegen ist“, sagte Knud Vöcking von der Umweltorganisation „Urgewald“ der taz. Wolfowitz verweigert der dortigen Regierung neue Kredite, weil sie ihre Öleinnahmen nicht für die Armutsbekämpfung verwende.

Auch die Nachhaltigkeit liegt Wolfowitz auf einmal sehr am Herzen. „Umweltschutz und Bürgerrechte nehmen wir in der Weltbank sehr ernst.“ Tatsächlich orientiert die Weltbank ihre Kreditentscheidungen an Umwelt- und Sozialstandards, den „Äquatorprinzipien“. Sie sollen sicherstellen, dass die Interessen der Bevölkerung bei den Themen Umweltschutz, Gesundheitsschutz oder Umsiedlungen berücksichtigt werden.

Wie ernst es Wolfowitz meint, kann er heute beweisen, wenn er über die Kofinanzierung einer Goldmine in Ghana entscheidet. Menschenrechtler protestieren seit Wochen gegen das Förderprojekt in Westafrika. Der US-Konzern Newmont Mining, größter Goldförderer der Welt, will, dass sich die Investitionstochter der Weltbank, IFC, mit 125 Millionen Dollar an den 430 Millionen Dollar Gesamtkosten beteiligt. Doch selbst der IFC-Projektgutachter meint, die Rechte der Kleinbauern würden verletzt. „5.000 Kleinbauern wurden in Reihenhäuser ohne landwirtschaftliche Nutzfläche umgesiedelt“, sagt Ute Hausmann von der Menschenrechtsorganisation Fian. „Den Menschen wurde die Lebensgrundlage entzogen.“

Newmont bietet den Landlosen Projektarbeit als Seifenproduzenten oder Schneckenzüchter an. Doch das ist für viele keine wirtschaftlich tragfähige Alternative. „Das Unternehmen hat sich erst nach dem kritischen IFC-Gutachten bewegt. Aber bis heute gibt es keinen Aktionsplan“, beklagt Hausmann.

Wolfowitz unterstrich gestern auf taz-Nachfrage sein Bekenntnis zu den Nachhaltigkeitsstandards: „Ich halte nichts von Lippenbekenntnissen. Die Äquatorprinzipien müssen überwacht und Verstöße sanktioniert werden“. Fian fordert, dass Wolfowitz sich heute beim Ghana-Beschluss an diese Aussage erinnert: „Die IFC könnte eine positive Rolle spielen.“ TARIK AHMIA