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Archiv-Artikel

Der gute Freund des Nazi-Trios

NSU Der Angeklagte Holger G. gibt zu, Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe geholfen zu haben – von den Mordtaten will er nichts gewusst haben

In einer Erklärung äußert Holger G. Mitgefühl mit den Opfern und entschuldigt sich

VON MARLENE HALSER, WOLF SCHMIDT UND ANDREAS SPEIT

MÜNCHEN/BERLIN taz | Drei Mal muss Holger G. ansetzen, bis man ihn im Gerichtssaal versteht. Er spricht zu leise und zu schnell, seine Stimme klingt seltsam gepresst. Erst nachdem er eine Bankreihe nach vorne gerutscht ist und das Mikrofon ausgetauscht wurde, können ihm Richter Manfred Götzl und die Nebenklagevertreter im NSU-Prozess in München folgen.

Der 39-Jährige kennt die mutmaßlichen Rechtsterroristen schon seit mehr als zwanzig Jahren. Gemeinsam waren sie in der Jenaer Kameradschaftsszene aktiv. In Vernehmungen hat er bereits zugegeben, dem Trio mehrfach geholfen zu haben: Gleich nach dem Untertauchen lieh er den dreien 3.000 Mark – und schließlich seine Identität. Er überließ Uwe Böhnhardt seinen Reisepass. Der nannte sich in Anlehnung an Holger G.s Nachnamen im Untergrund „Gerri“.

Irgendwann zwischen 2001 und 2002 traf Holger G. die drei in Zwickau. In einem Stoffbeutel habe er eine Waffe dabeigehabt. Sie war für das Trio bestimmt. Dass Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Waffe bei einem Mord oder Banküberfall einsetzten, konnte aber nicht ermittelt werden.

Diese Taten Holger G.s sind verjährt. Noch nicht verjährt ist, dass G. Böhnhardt 2004 auch seinen Führerschein und seine ADAC-Karte überließ. Mit dem Führerschein wurden mehrere Male Wohnmobile angemietet, darunter diejenigen, die der NSU bei sechs seiner Morde und beim Bombenanschlag in Köln 2004 benutzt haben soll, um nach der Tat zu fliehen. Als der erste Reisepass abgelaufen war, half G. dem Trio 2011 noch ein weiteres Mal aus. Er ließ sich von Böhnhardt die Haare schneiden und setzte für das Passfoto dessen Brille auf. Der Pass wurde für die Anmietung des Wohnmobils benutzt, mit dem Böhnhardt und Mundlos am 4. November 2011 ihren letzten Banküberfall in Eisenach begingen – am selben Tag nahmen sie sich das Leben.

Zu alldem wollte Holger G. am Donnerstag vor Gericht keine Fragen beantworten. Stattdessen verlas er eine vorverfasste Erklärung. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt seien seine Freunde gewesen, erklärte er darin immer wieder. Er habe es als Auszeichnung und Aufwertung verstanden, „mit den Uwes“ befreundet gewesen zu sein, weil die drei schon früh „eine gewisse Autorität in der Szene“ genossen. Dass er seinen Freunden half, auch später noch, als diese längst untergetaucht waren, sei für ihn eine Selbstverständlichkeit gewesen; ein Freundschaftsdienst, dem Kameradschaftsbegriff der Szene entsprechend. Dass die drei Gewalt anwenden würden, das habe er zu keinem Zeitpunkt für möglich gehalten. Sogar Mitgefühl mit den Opfern äußerte G. und entschuldigte sich zum Schluss dafür, das Trio im Untergrund unterstützt zu haben. Von einer These aber weicht er nicht ab: Er habe nie den Eindruck gehabt, mit den Mitgliedern einer Terrorgruppe befreundet gewesen zu sein oder diese bei ihren Taten unterstützt zu haben.

Der 39-jährige Lagerist ist in dem Verfahren nicht nur Angeklagter; er ist auch ein Zeuge, der Beate Zschäpe belastet – und deshalb im Schutzprogramm des BKA. Die Bundesanwaltschaft bezieht sich in ihrer Anklage stark auf seine Aussage. In seiner Stellungnahme bestätigt er nun noch einmal, dass Zschäpe bei der Waffenübergabe in Zwickau dabei gewesen sei. Sie habe ihn am Bahnhof abgeholt und später zugesehen, wie die Waffe durchgeladen wurde. Zugleich belastet er Ralf Wohlleben, der ebenfalls als NSU-Helfer angeklagt ist. Der soll ihn gebeten haben, die Waffe zu überbringen, weil er fürchtete unter Beobachtung zu stehen.

Erst als Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos im Mai 2011 unangekündigt bei ihm vor der Tür standen, will G., der nach eigenen Angaben 2004 aus der Neonaziszene ausgestiegen ist, erstmals gezögert haben, den dreien zu helfen. Er habe sich aber von Mundlos und Böhnhardt „in die Zange genommen gefühlt“ und willigte schließlich ein: Auf dem Passamt habe er in Begleitung von Zschäpe einen neuen Reisepass beantragt. „Unwohl“ sei ihm dabei gewesen, wie er sagt: „Wahrscheinlich weil ich es diesmal nicht freiwillig gemacht habe.“ Aber alte Freunde lässt man offenbar nicht im Stich.