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Archiv-Artikel

„Souverän ins Eck lächeln“

ÜBERGRIFFE Journalistin Ursula Kosser liest über Sexismus und Macht in der deutschen Politik

Von PS
Ursula Kosser

■ 55, ist Chefin vom Dienst für RTL und n-tv. 2012 erschien ihr Buch „Hammelsprünge“.

taz: Frau Kosser, stirbt der Sexismus mit den Brüderles aus?

Ursula Kosser: Nein, leider nicht. Frappierendstes Beispiel ist die jüngste Twitter-Hetzkampagne gegen die Spiegel-Redakteurin Annett Meiritz, der die Piraten im Oktober 2012 unterstellten, sie habe sich ihre Informationen „mit Körpereinsatz“ geholt. Das hat mich schockiert, weil die Piraten ja die jungen, die hoffnungsvollen Nachwuchs-Politiker sein wollen. Und denen fällt nichts anderes ein, als sich mittels Sexismus gegen kritische Artikel zu wehren.

Dabei dachten Sie, das sei vorbei.

Ja, ich hoffte es – wenn es auch lange gedauert hat. Im Bonn der 1980er und 1990er Jahre waren wir Journalistinnen ständig mit Übergriffen konfrontiert. Die reichten vom „Sie verstehen das ja doch nicht“ bis zum Busenglotzen.

Haben Sie sich nicht gewehrt?

Wir waren junge, gut ausgebildete, aber wenige Journalistinnen. Wir waren von Männern umgeben und hatten ein ganz anderes Autoritätsverständnis als heute. Deshalb fiel es uns schwer, darüber zu sprechen. Das haben wir einfach nicht gewagt.

Reichte der Sexismus quer durch die Parteien?

Ja. Es gab keine Ausnahme.

Sind Sie auch konkret in Ihrer Arbeit behindert worden?

Ja, wir Frauen sind zum Beispiel nicht in die Hintergrund-Kreise aufgenommen worden. Die braucht man im politischen Journalismus aber dringend, denn dort geben Politiker inoffiziell wichtige Hintergrund-Informationen.

Wie haben Sie reagiert?

Wir haben einen eigenen Frauen-Hintergrundkreis gegründet. Und es dauerte nicht lange, bis die Politiker teilnehmen wollten. Zögerlich haben wir das dann zugestanden.

Sind Sie eigentlich verbittert nach diesen Erfahrungen?

Nein. Ich versuche die Dinge mit Humor zu nehmen. Die Zeiten der lila Latzhosen und des Alice-Schwarzer-Kämpfertums sind vorbei und Verbiesterung finde ich nicht hilfreich. Da ist es doch viel vergnüglicher und effektiver, einen Mann ganz souverän in die Ecke zu lächeln. Es gibt für einen Mann doch kaum etwas Schlimmeres, als von einer Frau ausgelacht zu werden.

INTERVIEW: PS

Ursula Kosser liest aus ihrem Buch „Hammelsprünge – Sex und Macht in der deutschen Politik“ und diskutiert mit Journalistin Verena Herb sowie Hamburgs Ex- Justizsenator Till Steffen: 19.30 Uhr, Restaurant Dilara, Weidenstieg 24. Anmeldung erbeten unter Tel. 227 92 03 bzw. lit@lit-hamburg.de