Buchtipp

Spuren des Che

Der junge Che, der Held der kubanischen Revolution, fuhr mit dem Motorrad durch Südamerika. Ein Nordamerikaner fährt seine Route nach. Was Patrick Symmes mit „Reiseziel Che Guevara“ zustande bringt, ist beachtlich. Er kennt sich aus in Lateinamerika und mit Che. Er umgeht die doppelte Falle, Ches Reise zu kopieren und einen Lobgesang auf den großen Comandante anzustimmen

Seine Reise ist eine eigene, und er zeichnet ein differenziertes Bild von Ernesto Guevara de la Serna. Symmes taucht zwar ein in die Zeit zu Beginn der Fünfzigerjahre, als Che seine Reise mit seinem Freund Alberto Granado unternahm, er zitiert oft parallel, manchmal kontrastierend aus ihren Reisetagebüchern, aber er taucht nie ab. Genauso wichtig ist ihm aber auch, die neuere Geschichte der Länder, die er durchreist, zu beleuchten. Der Che-Verfolger trifft unterwegs eine Vielzahl von Latinas und Latinos, denen eines gemeinsam ist: Alle haben sie Che persönlich getroffen, erzählen ihre Geschichte mit dem Comandante uno – auch wenn sie zu der Zeit noch gar nicht gelebt haben. Und die, für die das in Frage kommt, tischen Symmes auch so manches Märchen auf.

Auf der Wegstrecke beobachtet Symmes Forensiker bei ihrer Arbeit, die mindestens 20.000 Leichen der argentinischen Militärdiktatur exhumieren. Dann Chile: In der südlichen Hafenstadt Valdivia spürt er den Spuren der beiden „Lepraspezialisten“ nach, die am 18. Februar 1952 in einem Artikel bedacht wurden. Danach Peru: Besuch im Frauentrakt eines Gefängnisses von Anhängern des „Leuchtenden Pfades“. Für diese Frauen sind die Kubaner Revisionisten.

Schließlich Bolivien. Das Ende der Reise des Amerikaners mit seiner BMW und das Ende von Che. Symmes meint eine historische Selbststilisierung und Verhärtung Guevaras in der Endphase seines Lebens ausmachen zu können. Er habe sich häufiger fotografieren lassen, sei eitel, hartherzig geworden, mit der Waffe gegenüber „Verrätern“ allzu schnell bei der Hand gewesen. Seine Fokus-Theorie, ein kleiner avantgardistischer Guerillahaufen könne einen revolutionären Flächenbrand auslösen, sei anmaßend gewesen.

Eine intelligente Reportage, eine gelungene Mixtur aus Reisebericht, historischer Reflexion und aktuellem politischem Bezug. Guevaristen, MotorradfahrerInnen und Lateinamerikabegeisterte werden hier auf ihre Kosten kommen. TOM BEIER

Patrick Symmes: „Reiseziel Che Guevara. Mit dem Motorrad durch Lateinamerika“. Nautilus Verlag, Hamburg 2005, 382 Seiten, 19,90 €