: Protestyoga unterm Lindenbaum
SCHÖNEBERG Im Crellekiez will ein Investor luxuriös bauen. Dafür müssten drei Linden weichen. Genau das wollen die AnwohnerInnen im Crellekiez mit Baumwachen und einer Bürgerinitiative verhindern
ANGELIKA BRANDT, BI CRELLEKIEZ-ZUKUNFT
Die Stimmung ist angespannt am diesem Mittwochnachmittag in Raum 1110 des Schöneberger Rathauses. Hier tagt der Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Die Sitzung ist öffentlich, aber mit so viel Öffentlichkeit hat wohl keiner der 20 Ausschussmitglieder gerechnet. Immer mehr Menschen drängen in den kleinen Raum. Die meisten stehen, alle Stühle sind längst besetzt. Christian Hönig, Fachreferent für Baumschutz vom BUND, zählt nach. „98. Es sind 98 Anwohner da“, stellt er freudig fest.
Mit Anwohnern meint er Menschen aus dem Crellekiez. In der Crellestraße will der Investor PSG einen luxuriösen Neubau hochziehen. Preislich sollen die geplanten Eigentumswohnungen bei 3.500 Euro pro Quadratmeter liegen. Im Grunde nichts Ungewöhnliches für Schöneberg. Hier wird auch in dieser Preislage viel gebaut. Allerdings müssen für den umstrittenen Bau drei neunzigjährige Linden abgeholzt werden. Dagegen stemmt sich die Bürgerinitiative „Crellekiez-Zukunft“.
„Wir haben nichts gegen Neubauten in unserem Kiez“, sagt Angelika Brandt, Mitbegründerin der Initiative. „Aber wir finden, dass sich der Neubau an die Umgebung anpassen sollte, nicht umgekehrt.“
„Nein, das ist nicht möglich, die Bäume müssen weg“, sagt dagegen Ulrich von Ey. Der leitende Architekt des Projekts muss die Baupläne vor dem Ausschuss – und den empörten Anwohnern – präsentieren. Keine leichte Aufgabe, denn die Bäume sind längst zu einem Symbol geworden: dafür, dass hier über die Köpfe der Anwohner hinweg entschieden wurde. Viele wollen keine neuen Luxusbauten, weil sie Wohnraum und zwangsläufig auch das Mietniveau heben.
Es ist ein kleines Beispiel in der großen Gentrifizierungsdebatte.
Treff unter den Linden
„Das Schlimme ist, das wir nicht informiert wurden“, sagt eine Anwohnerin. Mühsam mussten sie sich die Informationen zu dem Projekt zusammensuchen. Dann stießen sie auf den genehmigten Baubeginn, noch diese Woche, den 15. Juni. „Als wir das erfahren haben, wurden wir aktiv“, sagt ein anderer. In wenigen Tagen ist die Bürgerinitiative Crellekiez-Zukunft gegründet. Auf ihrer Internetseite informiert sie über aktuelle Geschehnisse.
Die drei Linden sind mittlerweile zu einem Treffpunkt geworden. Die Bäume sind auffallend geschmückt, es finden Yogastunden unter ihnen statt. Tagsüber haben die Anwohner eine Baumwache organisiert. „Die Linde kracht, der Geldsack lacht“, steht auf einem Protestplakat.
Am heutigen Freitag sollen die Bäume abgeholzt werden, das wollen die Anwohner verhindern. Stattdessen setzen sie sich für eine Anpassung des Projekts an die Umgebung ein. Damit die Bäume stehen bleiben können. Auch mit der massenhaften Präsenz im Stadtentwicklungsausschuss wollten sie Druck auf die Bezirkspolitiker ausüben – was ihnen gelungen sein dürfte. Ob das die Bauvorhaben von PSG aufhalten kann, wird sich schon bald zeigen. BENJAMIN ZIMMERMANN