LESERINNENBRIEFE
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Leda und der Ganter

■ betr.: „Liebe auf Eroberungstouren“, taz vom 17. 6. 13

Der Beitrag von Sonja Vogel macht neugierig auf das Buch von Klaus Theweleit. Nur, die Illustration zum Artikel ist nicht so recht gelungen: Leda treibt’s nicht mit einem Schwan, sondern mit einem Vogel, der einem Hausganter ähnelt; da hat Paolo Veronese falsch gepinselt. Die einzige Schwanenart mit rötlichen Füßen ist der Coscorobaschwan, eine südamerikanische Art. Und diese dürfte der antiken Leda und auch Herrn Zeus unbekannt gewesen sein, da die griechische Mythologie vieles kannte, nur nicht die beiden Amerikas. Hätte Zeus die Gestalt eines Höcker- oder eines Singschwans angenommen – Vögel von beachtlicher Größe – , von Ledas Reizen wäre auf dem Gemälde nicht viel zu sehen. REINHARD SCHARNHÖLZ, Kerpen

Der liberaler Bürgersinn

■ betr.: „Ballast der Republik“, taz vom 13. 6. 13

Warum engagiere ich mich und spende für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses als Humboldt-Forum: Die monströsen Verbrechen der Nazis, der Terror unter Stalin; die Diktatur der SED haben den durch und durch liberalen Berliner Bürgersinn fast vollständig zerstört. Es wird sicher noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis der Bürgersinn der Hauptstadt Berlin wieder zurückgewonnen ist. Das der europäischen Stadt zugrunde liegende Gestaltungsmuster ist generationsübergreifend beliebt und ungebrochen aktuell. Insbesondere Neu-Berliner wünschen sich, in den kleinteiligen; funktionsgemischten Quartieren Prenzlauer Berg, Friedrichshain oder Kreuzberg zu wohnen. Der Bau des Humboldt-Forums im Berliner Stadtschloss eröffnet die Möglichkeit, den weiträumigen Verlust von städtischer Sensibilität; die autogerechte Stadt endlich zu überwinden. Der Entwurf „Lindenforum“ von Stephan Braunfels verdeutlicht, dass hier durchaus ein großstädtisches Quartier plus Stadtgrün; ja ein Brückenbau in Stein, Glas, Stahl oder Holz realisiert werden kann. MARKUS ERICH-DELATTRE, Hamburg-Altona

Thüringer Kragenweite

■ betr.: „Die Werbepause“, taz vom 11. 6. 13

Nun war also die Werbekampagne des Landes Thüringen mit ihrem „Das ist Thüringen“ dran. Die Werbung hat ihr Ziel erreicht: Es ist eben mal nicht der Thüringer Wald, das Goethe-Schiller-Denkmal, der Erfurter Domplatz, die Thüringer Klöße, die ja nun wirklich alle kennen, was aber Ihr Autor Christian Fleige für „bodenständig“ und „richtig angegangen“ für eine Werbekampagne dieses Bundeslandes hielte. Nach seiner Vorstellung sollte sich Thüringen selbstvergewissern, „dass man Würstchen kann“, und sich „mit Dingen schmücken“, die „der eigenen Kragenweite“ angemessen seien. Aber: Kann man denn überhaupt in Thüringen Würstchen (ja was eigentlich: essen/herstellen/grillen/kaufen)? Hat Fleige das nicht mit Bayern verwechselt oder mit Wien oder Frankfurt?

Ich weiß, dass „Die Werbepause“ provozieren, ironisch sein und dem Leser den täglichen Dummenfang vor Augen führen soll. Aber mal ehrlich: Ist das nicht schön und wunderbar harmlos, dass Thüringen eben über seinen Tellerrand blickt (Sie nennen es: „mit fremden Federn schmückt“), als das ewige grüne Herz Deutschlands zu sein? Ist es nicht gerade das, was Sie angeblich so vermissen – „Aus Thüringen kommt mehr, als Du denkst“ –, wenn man eine Erfurter Firma mit Sydney in Verbindung bringt? Sei es ihr und dem Bundesland doch vergönnt! Oder sollte die einfache Gleichung „NSU = Thüringen“ aufgenommen werden? Es gibt so viel wirklich dummdreiste Werbung (im Fernsehen: rennende Frau [mit entsprechenden Brüsten als Hauptaugenmerk] mit Mops am Strand etc.) – hier gibt es reichlich Stoff für Werbepausen, die ja die taz auf wunderbare Weise zu füllen vermag und für die wir sie lieben. HEINRICH LÖBER, Karlsruhe

Solidarische Einmischung

■ betr.: „Die Paranoia des Ministerpräsidenten“, taz vom 17. 6. 13

Jürgen Gottschlich fordert in seinem Kommentar über die Gewalt gegen die Protestbewegung in der Türkei, dass möglichst viele europäische PolitikerInnen und Vertreter der Zivilgesellschaft jetzt in die Türkei reisen sollten, um die Protestierenden zu unterstützen. Claudia Roth braucht man da nicht zu bitten, denn sie mischt sich solidarisch unter die Kämpfer im Gezi-Park, wird verletzt und für ihren Solidaritätsmut auch in der taz als Opfer gefeiert. Doch ist das klug, was sie da macht und was Gottschlich fordert? Ist das klug vor dem Hintergrund, dass Erdogan den berechtigten Protest seiner Landsleute als von ausländischen Agitatoren geschürte Terroraktionen einstuft und so seine brutalen Polizeiaktionen begründet – was ihm auch von vielen seiner Anhänger abgenommen wird? Ist diese Art ausländischer (deutscher) Solidarität klug vor der Tatsache, dass zigtausende Türken selbst ohne ausländische Hilfe eine breite Protestbewegung gegen seine autoritäre Politik auf- und ausgebaut haben?

Solidarität von Politikern mit Demokratiebewegungen hat sich im Ausland auf der politischen Bühne abzuspielen, mit Protesten, Sanktionen, Gesprächen oder auch Mahnungen an die Politik und ihre Vertreter, nicht aber auf der Aktionsebene mit Aktivisten, wo die Hilfe „privater“ Ausländer Sinn macht, nicht aber das Mitmarschieren deutscher Institutionen und Politiker „im Amt“.

Das Gleiche gilt für jegliche Art deutscher Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten, so wie sie der Autor in langjähriger Entwicklungshilfetätigkeit etwa in der „Arbeit“ der Stiftungen deutscher politischer Parteien gelegentlich als extrem kontraproduktiv erlebt hat. Insofern war Claudia Roths Aktion auf dem Gezi-Platz „politisch-dämlich“. WILLIBALD WEICHERT, Hamburg