: Gericht entzieht Brunsbüttel Genehmigung
ATOM Zwischenlager in Schleswig-Holstein darf keine Castoren aufnehmen: Bundesamt hat Risiken eines Flugzeugabsturzes und die Nutzung von Waffen ausgeblendet. Beschluss torpediert Endlagersuche
SCHLESWIG taz | Was passiert, wenn Terroristen ein Flugzeug wie den Airbus A 380 über dem Atommüllzwischenlager im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel abstürzen lassen? Oder wenn sie das Gebäude, das 250 Meter entfernt von dem Altmeiler steht, mit Panzerfäusten angreifen?
Diese Fragen stellte sich der Anwohner Peter Dreckmann – seit Hof liegt sechs Kilometer vom AKW entfernt – schon im Jahr 2003, als die Betreiberfirma Vattenfall die Genehmigung erhielt, in Brunsbüttel radioaktive Abfälle auf dem Gelände zu lagern. Seither kämpfen er und seine Frau Anke vor Gericht gegen das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das die Genehmigung erteilte. Am Mittwoch entschied das Schleswiger Oberverwaltungsgericht, die Genehmigung aufzuheben. Das BfS habe bei der Genehmigung schwere Fehler begangen. Die Risiken von Flugzeugabstürzen oder der Verwendung neuer panzerbrechenden Waffen seien nicht ausreichend einkalkuliert worden.
Das politisch Brisante an dem Fall: Erlischt die Erlaubnis, die schwach radioaktiven Abfälle aus dem eigenen Werk zwischenzulagern, gilt das erst recht für die stark strahlenden Castorbehälter aus Sellafield. Einige dieser Container wollte aber die Kieler Landesregierung aus SPD, Grünen und der Minderheitenpartei SSW aber in Brunsbüttel aufnehmen – eine Vorbedingung, um den politischen Knoten um das Zwischenlagersuchgesetz zu lösen. Erst vor wenigen Tagen hatte sich Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) mit den Bundesländern darauf geeinigt, das Zwischenlager für die Aufnahme weiterer Castoren erst im kommenden Jahr, also nach den Bundestagswahlen, festzulegen. Die fragile Einigung dürfte nach dem Urteil noch stärker wackeln als bislang.
Für das Gericht waren die politischen Folgen nicht interessant, auch die Sicherheit der Anlage spielte keine Rolle – es ging einzig um die Frage, ob die Behörde im Jahr 2003 korrekt gehandelt hat, sagte der Vorsitzende Richter, Dierk Habermann.
Bei vielen Fragen erklärten die Sachverständigen des BfS, sie hätten stets „konservativ“gerechnet, nehmen aber nicht „in jedem Szenario den schlimmsten Fall“ an. Gegengutachterin Oda Becker sah dagegen gerade an ihrer Meinung nach entscheidenden Punkten Mängel. So bei der Frage, wie lange ein abgestürztes Flugzeug brenne und wie viel Hitze dabei entstehe. Der Gegenexperte fand die „Frage der Thermik nicht so relevant“.
ESTHER GEISSLINGER