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Archiv-Artikel

Männer wie wir

Die meisten türkischen Medien wenden sich im Karikaturen-Streit gegen Gewalt. Und Chefredakteure von „Bild“ und „Hürriyet“ werden Freunde

von CIGDEM AKYOL

Hier kommt endlich zusammen, was zusammengehört: Bild und ihr türkisches Pendant Hürriyet sind seit gestern Freunde. „Biz dostuz!“, freuen sich die Chefredakteure Kai Diekmann und Ertugrul Özkök in einem deutsch-türkischen Kommentar. „Wir rufen alle auf, Respekt vor den Gefühlen des jeweils anderen zu zeigen, Beleidigungen, Demütigungen oder Niedertracht zu vermeiden“, betonten die obersten Journalisten beider „Leitmedien“ perfekt zweisprachig.

Hürriyet ist wie Bild: Eine der auflagenstärksten türkischen Boulevardzeitungen, die sich heute selbst als „liberal-konservativ“ einordnet. Wegen der nationalistischen Haltung gerät das Blatt aber immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik.

Der versöhnliche Ton des Kommentars entspricht dem Tenor, der aktuell durch die meisten türkischen Medien schallt. Zwar gefallen vielen TürkInnen die umstrittenen zwölf Mohammed-Kritzeleien nicht. Gewaltaufrufe als Reaktion auf die Karikaturen werden aber abgelehnt. In jeder türkischen TV-Nachrichtensendung werden Bilder von den weltweiten Protesten gegen die Karikaturen gezeigt – und meistens kritisiert.

Am Sonntag zeigte die extrem konservative Zeitung Türkiye den Kopf des dänischen Ministerpräsidenten als Karikatur und titelte: „Rasmussen wird frech: Jetzt bedroht er die Muslime“. Anders Fogh Rasmussen hatte vor „unüberschaubaren Folgen“ beim Mohammed-Karikaturenstreit gewarnt.

Eine Sorge, die Ibrahim Tatlises, der türkische Heino, mit dem Ministerpräsidenten teilt. Der bekannteste türkische Schlagersänger appellierte in seiner Fernsehshow auf Star Türk an die Zuschauer. „Bitte lasst euch nicht von diesen schlechten Karikaturen provozieren.“ Der bekannte türkische Kommentator Can Dündar fragt sich dagegen, was denn an den Karikaturen „so schlimm“ sei. In einem Kommentar in der gestrigen Ausgabe der sozialdemokratischen Milliyet weist er darauf hin, dass „Buddha auch immer als Hippie“ dargestellt werde. Natürlich müsse eingeräumt werden, dass die Religion in den islamischen Ländern eine ganz andere Rolle spielt als im Westen. Doch das, so Dündar, rechtfertige keinesfalls die Gewalt. Das friedliche Zusammenleben von Muslimen und Christen sei schließlich längst selbstverständlich.

Wie die Medien distanzieren sich auch die meisten Türken von den Gewaltaufrufen. Über die Freundschaft der Bild mit der Hürriyet kann man sich dennoch nur wundern. Schließlich fragte Bild noch letzten September im Bundestagswahlkampf ganz besorgt und gewohnt misstrauisch: „Werden Türken die Wahl entscheiden?“