Konzeptbedingt siebzehnjährig

SCHICKE POPMUSIK Mais oui, Petting lieben es auf Französisch – und das sehr gern in Erinnerung an die Sechziger. Zu hören ist das auf dem neuen Album der Berliner Band, die heute auch bei der Fête de la Musique auftritt

■ Die Posaune ist nun nicht gerade das Standardinstrument im Pop. Aber die Fête de la Musique ist ja eben nicht nur Pop. Die Fête ist Musik, ganz allgemein. Auch mit einer Menge an Posaunen. Zum dritten Mal beteiligen sich die Berliner Posaunenchöre an der Fête, mit einem Turmblasen von oder vor den (Kirch-)Türmen. Heute um 19 Uhr vom Turm des Rathauses Charlottenburg, von 18 bis 20 Uhr in der Friedenskirche Niederschönhausen, Dietzgenstraße 19, um 19 Uhr vom Turm der Dorfkirche Rosenthal, Hauptstraße 154, in Pankow und um 19 Uhr in den Arkaden des Berliner Doms. Das sonstige Fête-Programm: www.fetedelamusique.de

VON JENS UTHOFF

Petting! Wie aufregend. Wie unschuldig. Wie old school. Als der Begriff „Petting“ in den 50ern aus dem Englischen entlehnt und hierzulande gebräuchlicher wurde, da kam gerade auch der auf- und anregende Sound nach Europa: Rock ’n’ Roll, Bebop, Boogie. Und die Sixties waren bereits im Anmarsch.

Die Berliner Band Petting ist von dieser Epoche geprägt. „Wir haben zu Beginn viele Sixties-Sachen gecovert“, sagt der Gitarrist und Songschreiber Peter Weiss, „die Stilrichtung war dabei gar nicht so wichtig – Hauptsache, es gefällt uns.“ Die sechsköpfige Band um Sängerin Malika Ziouech verbindet die verschiedensten Spielarten des Rock ’n’ Roll mit dem poppigeren Sound, den France Gall zu jener Zeit in den Sechzigern spielte. Auch Petting texten und singen auf Französisch.

Jetzt veröffentlichen Petting ihr neues Album „Joli Garçon“ („Hübscher Junge“). Die 13 Tracks sind bestens arrangiert, gut produziert und referieren recht direkt auf die Ära von Lollipop und Lolita. Neben Malika und Peter bestehen Petting derzeit aus Bassist Michele Veleno, Schlagzeuger Danny Bruder, der mit Bruder & Kronstädta eigentlich eher in der HipHop-Szene zu Hause ist, sowie den SaxofonistInnen Sabine Wenzl und Benno Schmitz. Das Alter der ProtagonistInnen ist nur ausgewiesenen Petting-Experten bekannt, ihr Durchschnittsalter dürfte also weiter konzeptbedingt bei 17 Jahren Jahren liegen, wie sie es zum ersten Album 2006 verlauten ließen.

Petting ist eine Band, die sicher schon sehr viele Leute in sehr vielen Kneipen zu sehr später Stunde sehr glücklich gemacht hat – die aber bisher im Musikbusiness eher unterging. „Wir passen in keine Schublade“, meint Malika beim Interview in einem Kreuzberger Café, das mache es für sie schwerer. In der Tat: Sie spielen, wonach ihnen ist. So finden sich eben auch mal Ramones-Riffs oder Polka-Songs im Repertoire. Oder eine chansoneske Ballade folgt auf ein Boogie-Stück.

Mit dieser Melange aber fügt sich die Band bestens in das Programm der Fête de la Musique, bei der sie heute auftritt. Denn Petting stehen schlicht für den Spaß am gemeinsamen Songschreiben, für stilistische Vielfalt und für das Live-Erlebnis: „Bei uns geht’s schon um Move Your Body – das ist vielleicht eines unserer Credos“, sagt Malika. Musik als Selbstzweck? „Ja, so kann man das sagen.“

Patchwork-Identitäten

Malika und Peter, die privat ein Paar sind, geben dabei auch recht gut jene Patchwork-Identität wieder, die viele Berliner Künstler kennen dürften. Malika, die aus einer algerischen Familie stammt und hier groß wurde, verließ Berlin des Öfteren – kehrte aber auch immer wieder zurück. Sie ist nicht nur Musikerin, sondern auch Filmemacherin und Schauspielerin und lehrt an einer Fachhochschule für Medienpädagogik.

Peter stammt aus der Slowakei und lebt seit 1990 in Berlin. Er ist Möbelbauer und Filmausstatter. Er spielt auch noch bei den Mobylettes, die dem Motown-Soul verfallen sind. „Klar, wir leben auch von unseren anderen Jobs“, sagt Malika, „aber wir wollen jetzt schon noch mal schauen, was mit der Band geht.“ Und sie fügt hinzu: „Das ist ja so’n bisschen unser Lebensplan, gemeinsam Kunst zu machen.“

Während sie über Berlin hinaus noch kaum jemand kennt, sind sie mit hiesigen Musikern gut vernetzt. Mit Françoise Cactus und Brezel Göring von Stereo Total etwa ist man befreundet – was ihnen absurderweise mal Epigonenvorwürfe einbrachte. Und ihr erstes Album „Voilà l’été“ haben Petting auf RodRec, dem Label des Ärzte-Bassisten Rod Gonzales, veröffentlicht.

„Joli Garçon“ soll nun nur ein Zwischenschritt sein, das nächste Album ist bereits geplant. „Eigentlich sollte das Album schon vor vier Jahren rauskommen“, sagt Peter. Damals hatten sie bereits etliche Titel zusammen mit Ted Gaier von den Goldenen Zitronen eingespielt, bevor es bei Petting einige Besetzungswechsel gab und die Band zeitweise auf Eis lag. Nun sind sie wieder da, und ihr Name ist Programm.

■ Petting bei der Fête de la Musique um 16 Uhr auf der Matzbach-Bühne, Marheinekeplatz 15

■ Record-Release-Party: Samstag, 21 Uhr, Schleusenkrug, Tiergarten