Wenn die Kassiererin den Ausweis verlangt

SOZIALLEISTUNGEN In den Landkreisen Celle, Harburg und Vechta erhalten Flüchtlinge Gutscheine statt Geld. Dabei ginge es anders

VON JOACHIM GÖRES

Einkaufen mit Gutscheinen – das war für Flüchtlinge in Niedersachsen bis vor Kurzem der Normalfall. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bestand darauf, dass ein erwachsener Flüchtling überall in Niedersachsen monatlich 137 Euro als Taschengeld in bar und 217 Euro in Form von Wertgutscheinen bekam. Doch viele Geschäfte akzeptieren diese Gutscheine nicht. Die neue Landesregierung von SPD und Grünen ermöglicht den Landkreisen und kreisfreien Städten seit Februar, die Leistungen für Asylbewerber komplett in Bargeld auszuzahlen. Fast alle Kommunen haben die Wertgutscheine mittlerweile abgeschafft – nur die Landkreise Celle, Harburg und Vechta halten daran fest.

Dagegen protestierte kürzlich vor dem Sozialamt Celle die Gutschein-Tauschinitiative Celle. Interessierte konnten Gutscheine erwerben, mit denen sie Lebensmittel und Kleidung kaufen können. Flüchtlinge konnten ihre Gutscheine gegen Geld eintauschen. „Nur durch den Umtausch unserer Gutscheine gegen Geld kann ich zu meinem Anwalt nach Bremen fahren oder Medikamente kaufen“, sagt der Iraner Ali Arab Ameri, der vor einem Jahr zusammen mit seiner Frau Asyl in Deutschland suchte und in Celle lebt. Die Bahn und Apotheken akzeptieren Gutscheine nicht, sagt Ameri, auch Rechtsanwälte nähmen sie nicht an.

„Wir tauschen jeden Monat Gutscheine für rund 500 Euro in Geld um. Wir könnten noch viel mehr Gutscheine in Geld umtauschen, wenn es mehr freiwillige Unterstützer gäbe, die damit dann einkaufen gehen würden“, sagt Cornelia Döllermann-Nölting von der Celler Initiative. Laut Kai Weber, Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrates, nehmen gerade kleinere Läden auf dem Dorfe keine Wertgutscheine an. Zudem sei es diskriminierend, nicht mit Bargeld bezahlen zu können.

„An der Kasse gucken einen die Leute oft komisch an, wenn man statt eines Geldscheins mit einem weißen Zettel bezahlt“, sagt Arab Ameri. „Manche Kassiererin reagiert auch unfreundlich.“ Für Flüchtlinge sei es wichtig, mit ihrem wenigen Geld möglichst günstig einkaufen zu können. „Second-Hand-Sachen gibt es bei zum Beispiel billig bei Ebay, aber dort kann man mit Gutscheinen nichts anfangen.“

Weitere Nachteile: Einen Kassenbon gibt es meistens nicht, sodass man nicht überprüfen kann, ob tatsächlich der im Laden angegebene Preis abgezogen wurde. Wechselgeld gibt es höchstens für zehn Prozent des Gutscheinwertes – wer mit einem 10-Euro-Gutschein einkauft, der erhält nur einen Euro zurück, selbst wenn der Warenwert nur fünf Euro beträgt. Nicht selten lassen sich Kassiererinnen den Personalausweis zeigen und verlangen eine Unterschrift, wenn man mit Gutschein bezahlen will.

„Bei der Stadt Celle haben wir eine Vollzeitstelle nur für die Abrechnung der Wertgutscheine. Die Personalkosten in Höhe von jährlich 40.000 Euro könnte ich wesentlich sinnvoller einsetzen“, sagt Celles Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende (SPD). Der Landkreis Celle unter Landrat Klaus Wiswe (CDU) steht dagegen auf dem Standpunkt, dass das Asylbewerberleistungsgesetz einen Vorrang der Wertgutscheine vor einer generellen Bargeldauszahlung vorsieht und somit eine komplette Barauszahlung rechtlich nicht möglich sei. Genauso argumentiert der Landkreis Vechta.

Das sieht das SPD-geführte Innenministerium in Hannover mit Hinweis auf die Praxis in den meisten Kommunen anders. „Die Landesregierung begrüßt es ausdrücklich, dass die Leistungsbehörden ihren Entscheidungsspielraum genutzt und die Zahlung von Bargeld realisiert beziehungsweise veranlasst haben“, so Innenminister Boris Pistorius (SPD) im Landtag.

In Harburg hat der Sozialausschuss jüngst empfohlen, das Gutscheinsystem abzuschaffen. Am Montag wird der Kreistag darüber entscheiden. Es bleiben Cella und Vechta, die daran festhalten. Der Celler Landrat mache sich „lächerlich“, so sagt Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat. „Nur in Bayern und im Saarland besteht man landesweit noch auf den Wertgutscheinen.“ Selbst in Hessen, mit seinem konservativen CDU-Ministerpräsidenten, so Weber, müssten die Kommunen eine schriftliche Begründung liefern, wenn sie ihre Leistungen nicht komplett in Bargeld auszahlen wollen. Weber erinnert an die Geschichte der Wertgutscheine für Flüchtlinge in Niedersachsen. Die gab es seit den 80er-Jahren und wurden unter dem CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht abgeschafft. „Der sah ein, dass man sie nicht durchsetzen kann“, sagt Weber. „Es war mit Gerhard Glogowski ein SPD-Ministerpräsident, der sie Ende der 90er-Jahre wieder eingeführt hat.“