: Kreuzberger kämpfen um wilde Wiese
PLÄNE FÜR DIE CUVRYBRACHE
Brachen wie die an der Cuvrystraße stehen synonym für Kreuzberg bis zum Mauerfall. Sie waren Wächter des Traums vom alternativen Leben. Bis auf wenige sind diese Nischen verschwunden. Die Cuvrybrache, erst vergessenes Land an der Mauer, nach 1989 wilde Wiese und Autoparkplatz, ab 1998 vom Yaam Klub genutzt und danach von Gruppen, Campern und Punks, zählt zu den Resten dieser typischen Kreuzberg-Chiffren.
Gegen deren Umkodierung zu weiterem Investorenland führten der grüne Bezirk und Initiativen wie „Mediaspree versenken“ lange Abwehrkämpfe. Dass sie dafür als „Modernisierungsverweigerer“ gebrandmarkt wurden, verkehrt die Tatsachen. Denn die Kreuzberger Szene ist ein lebendiges, kein sterbendes Biotop. Stadtentwicklung ist hier Volkssport – will sagen, Bebauer von Brachen haben es in Kreuzberg besonders schwer.
Die Bürgerversammlung am Donnerstagabend zeigte, dass das für das Grundstück an der Cuvrystraße auch weiterhin gelten wird. Schon vor einem Jahr wollte das „Guggenheim Lab“ seinen temporären Container dort aufschlagen und musste nach massiven Protest nach Prenzlauer Berg umziehen. Nun wurde wieder über die Zukunft der Brache geredet. Der Investor hatte die Kreuzberger in den „Zirkus Cabuwazi“ eingeladen, seine Pläne zu bestaunen. Er warb um „Einvernehmen“, sprach von Wohnungen statt vom ursprünglich geplanten Hotel oder Shoppingcenter. Aber bringt eine solche PR-Aktion wirklich weiter?
Dass man sich auf der Seite des Landes Berlin für eine neue Bebauung einsetzt – geschenkt. Und ja, 250 Wohnungen, eine Kita und Gewerbe sind natürlich besser als Büros und eine Einkaufsmall wie noch 2011 geplant. Der Investor des 12.000 Quadratmeter großen Grundstücks an der Spree will auch nicht so dicht bauen und ist zudem bereit, Flächen für einen Uferweg freizuhalten. Das klingt, als hätte die Affäre um das „Guggenheim Lab“ Spuren hinterlassen.
Aber Vorsicht! Der Kampf um den öffentlichen Raum und die Mitsprache der Stadtgesellschaft ist noch nicht vorbei. An den bestehenden Parametern hat sich kaum etwas verändert. Der Bezirk und die öffentliche Hand sind hier quasi aus dem Rennen, der Investor bestimmt die Regeln und den Preis für ein hippes Prestigeprojekt.
Das „Einvernehmen“ gleicht deshalb einem Euphemismus. Zur Kreuzberger Planungskultur gehört aber, dass sie sich ihre Interessen nicht ausreden lässt. Man benötigt Konzepte, wie etwa das Programm „100 Plätze für 100 Brachen“ in Barcelona 1992 – es geht natürlich auch um Architektur. ROLF LAUTENSCHLÄGER
Bericht Seite 52