DER SINN DER DEMOS GEGEN DIE DIENSTLEISTUNGSRICHTLINIE IST FRAGLICH
: Der europäische Arbeitsmarkt ist längst da

„Mit dem Bezahlen wird man das meiste Geld los“ – mit diesem schönen Satz fasst der Schriftsteller Wilhelm Busch zusammen, warum Hausbesitzer in Deutschland dann, wenn Reparaturen am Eigenheim anstehen, an polnische, tschechische oder niederländische Handwerker denken. Denn die sind häufig sehr viel billiger als deutsche Firmen. Daran können weder die Europäische Kommission, noch die SPD, noch der Deutsche Gewerkschaftsbund oder die Globalisierungskritiker von Attac etwas ändern. Der Wettbewerb zwischen hohen deutschen und niedrigen Löhnen in unseren Nachbarländern ist eine Realität, die wenig mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie zu tun hat, gegen die heute in Berlin und Straßburg demonstriert wird.

EU-Kommissar Frits Bolkestein hatte vor Jahren die Idee, mit seiner Richtlinie sämtliche Hindernisse auf einen Schlag abzuschaffen, die Firmen im Ausland das Leben schwer machen. Deutsche Betriebe beispielsweise sollten nicht mehr gezwungen werden, eine aufwändige Zertifizierungsprozedur über sich ergehen zu lassen, wenn sie im belgischen Liège arbeiten – und umgekehrt.

Weil gerade die hiesigen Gewerkschaften befürchteten, ausländische Billiganbieter könnten damit hunderttausende deutscher Jobs kapern, hat man die Richtlinie nun entschärft. Geblieben ist aber das Verbot, ausländische Anbieter gegenüber inländischen zu diskriminieren. Für polnische, lettische oder slowakische Firmen wird es daher leichter in Deutschland zu arbeiten – doch am grundsätzlichen Umstand der innereuropäischen Konkurrenz ändert das nichts. Hunderttausende ausländische Fliesenleger, Fleischer oder Fensterputzer verdienen schon heute ihre Euros bei uns – und zwar zu Stundenlöhnen, die weit unter deutschem Tarif liegen. Niemand kann es ihnen verwehren, denn Selbstständige dürfen sich überall anbieten, zu welchen Konditionen auch immer.

Europa und damit die Konkurrenz zwischen realen Menschen ist viel weiter, als SPD, Gewerkschaften und Attac es wahrhaben wollen. Und das hat seine Vorteile. Die deutsche Ökonomie ist eine leistungsfähige Veranstaltung mit der drittgrößten Wirtschaftskraft der Welt. Allein Polen wird in den kommenden Jahren 60 Milliarden Euro für öffentliche Infrastruktur wie Flughäfen, Autobahnen und Datenleitungen ausgeben. Deutsche Dienstleister haben gute Chancen, davon einiges abzubekommen – dank der neuen EU-Richtlinie vielleicht auch etwas mehr. Angesichts der fünf Millionen Arbeitslosen zwischen Oder und Rhein könnte man auf die Idee kommen, dass das nicht ganz falsch ist. HANNES KOCH