Franzose mit hanseatischer Note

WEIN Mit dem Rotspon haben norddeutsche Kaufleute vor Jahrhunderten einen eigenen Bordeaux angeboten. Ein Teil dieser Tradition hat sich bis heute erhalten

VON GERNOT KNÖDLER

Die Legende ist schön: Nachdem Napoleons Soldaten 1806 Lübeck erobert hatten, stellten sie fest, dass der Bordeaux in den Kellern der Kaufleute besser schmeckte als bei ihnen zu Hause. Sie machten die Probe aufs Exempel: Der gleiche Wein schmeckte, in Südfrankreich gelagert, schlechter als auf dem Seeweg nach Norddeutschland transportiert und dort gereift. So wurde „Rotspon“ – der Bordeaux aus den Hansestädten Lübeck, Hamburg und Bremen – zum Markenprodukt.

„Man darf einen Bordeaux vor 300 Jahren nicht mit einem Wein von heute vergleichen“, sagt Eckard Hillmann, Kellermeister der Firma Hawesko, in der die traditionsreiche Lübecker Weinhandlung Carl Tesdorpf aufgegangen ist. Die Weine damals seien wesentlich ruppiger und kantiger gewesen als die heutigen. Der Seeweg half ihnen, zu reifen. Das im Vergleich zu Südfrankreich kühlere Klima in den hanseatischen Kellern tat ein übriges, um die Weine abzurunden.

Heute könne der Wein auch in den französischen Hallen angemessen kühl gelagert werden. Der Wein ist früher trinkfertig, so dass auf die lange Lagerung im Barrique, dem klassischen 225-Liter-Holzfass, verzichtet werden kann. „Die Weine mussten früher lange im Fass liegen, damit die Säure abgebaut werden konnte“, sagt Horst von Have, Seniorchef der Firma Heinr. von Have. Im Holzfass erhielten sie heute nur den letzten Schliff.

Bei Hawesco / Tesdorpf wurde daraus der Schluss gezogen, die Weine gleich in Bordeaux reifen zu lassen und in Lübeck abzufüllen. Von Have in Bergedorf und eine weitere Hamburger Traditionsweinhandlung, G.H. Wehber, dagegen verfügen noch über ein eigenes Fasslager, in dem die Weine reifen können. Was zeichnet den Rotspon heute aus? „Es muss ein bestimmter Stil sein“, sagt Hillmann. Der Wein müsse Charakter haben, nach Bordeaux schmecken, haltbar und doch auch sofort mit Genuss zu trinken sein.

Der 72-jährige Horst von Have ist stolz darauf, dass sein Unternehmen als älteste familiengeführte Weinhandlung Hamburgs das historische Hamburger Wappen auf dem Etikett seines Rotspons führen darf – ähnlich wie Tesdorpfs Rotspon das Lübecker Wappen führt. Und von Have hält sich zugute, zu einer Zeit, als die Deutschen gerne billigen, süßen Wein tranken, die Ehre des Rotspons gerettet zu haben. Wegen der schlechten Qualität des damaligen Lübecker Rotspons habe er sich kaum getraut, selbst einen Rotspon anzubieten, erzählt er.

Den Wein gibt es heute in zwei Qualitäten: als echten Bordeaux und in einer billigeren Variante als Cuvée aus einem anderen Anbaugebiet. Während der Bordeaux typischerweise schon in Frankreich aus verschiedenen Rebsorten zum Cuvée kombiniert wird, stellt von Have seinen Rotspon aus dem Pays d‘Oc in Bergedorf im Reagenzglas zusammen und ordert dann die entsprechenden Mengen.