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Archiv-Artikel

Gefährliches Eierlaufen

ÖFFENTLICHER RAUM Polizei sperrt für Stunden den Schanzenpark rund um das Mövenpick-Hotel, um Gentrifizierungsgegner aus dem Park fernzuhalten

„Es gilt der Gefahrenabwehr – es gibt Aufrufe zu Wurfaktionen“

POLIZEI-EINSATZLEITER

Es gab kein Durchkommen: Der Schanzenpark ist am Freitagabend von der Polizei für die Öffentlichkeit für Stunden gesperrt worden. Polizisten hatten rot-weiße Bänder auf dem Rundweg um das Mövenpick-Hotel im ehemaligen Wasserturm als Barriere gespannt. Wer dennoch versuchte, die öffentlichen Wege zu nutzen, wurde von starken Polizeieinheiten gestoppt und zurückgeschubst.

Anlass der Polizeiaktion war eine Gefahrenprognose des Staatsschutzes. Für den Freitagabend hatten Aktivisten des Anti-Gentrifizierungs-Netzwerkes für den Erhalt des Schanzenpark zu ihrer turnusmäßigen Volxküche vor dem Vier-Sterne-Mövenpick-Nobelhotel geladen. Im Mittelpunkt sollte die Diskussion um das seit 1. Juni eingerichtete „Gefahrengebiet Schanze“ zwischen Eimsbüttel und Altona stehen, was die Polizei vor Kurzem heimlich eingerichtet hatte. Laut offizieller Version dient das Gefahrengebiet dazu, den Drogenhandel zu bekämpfen. Die „Vokü“ wurde dann spontan an den Haupteingang des Hotels an die Bahngleise verlegt.

„Die Maßnahme gilt der Gefahrenabwehr,“ begründete der Einsatzleiter den polizeilichen Notstand. Unbekannte hätten mittags am Mövenpick-Hotel eine Scheibe eingeworfen, sagte er. Zudem seien im Internet Aufrufe verbreitet worden, die zu Wurfaktionen gegen das Hotel aufgerufen hätten.

In der Tat hatte es E-Mails gegeben, die zu „sportiven Aktionen“ gegen die Einrichtung des „Gefahrengebiets Schanze“ aufgerufen hatten. Das Mittel der Gefahrengebietskontrollen, das der Polizei seit Änderung des Polizeirechts seit 2005 erlaubt, in Regionen verdachtsunabhängige Personenkontrollen und Durchsuchungen durchzuführen, die mit Aufenthaltsverboten oder Ingewahrsamnahmen münden können, ist unter Juristen umstritten.

Die rund 50 Gentrifizierungsgegner reagierten kreativ auf den polizeilichen Notstand und veranstalteten ihr „Eierlaufen“ und „Christbaum-Kugelwerfen“ vor dem Hauptportal des Mövenpick-Hotels. Im Anschluss kam es aber dennoch zu Ingewahrsamnahmen und Platzverweisen. Schanzenviertel-Bewohner wollten den Schanzenpark betreten und sind laut eigenen Aussagen von der Polizei unter dem Hinweis auf das Gefahrengebiet attackiert worden.

Als Reaktion rief am Samstagabend das Netzwerk Recht auf Stadt zu einem „radikalen Spaziergang“ auf dem Park-Rundweg um das Mövenpick-Hotel auf, um das Grün „zurückzuerobern“. Obwohl einige Demonstranten als Dealer-Double provokativ Speed und Marihuana anboten, schritt die Polizei nicht ein.  KAI VON APPEN