Sparschwein schlägt zu

Heute wird im Landtag der Haushalt vorgestellt. Die Opfer der schwarz-gelben Sparpläne würden anders kürzen: An Flughäfen, Straßen, Kohlesubventionen und schlechten Ernährungskampagnen

Kinder- und Jugendarbeit

Hier wird gespart: Jugendzentren erhalten 21 Millionen Euro weniger als versprochen.

Die Folgen: Die Arbeitsgemeinschaft der Offenen Türen in NRW (AGOT), Initiator der Volksinitiative, schätzt die Zahl der von Schließung bedrohten Jugendhäuser auf 200. Die AGOT hat bereits eine neue Volksinitiative angekündigt.

Die Alternativen: „Vielleicht beim Straßenbau“, schlägt AGOT-Sprecher Norbert Kozicki vor. Für sinnvoller hält er es aber, „über mehr Einnahmen zu reden“. Die NRW-Finanzämter könnten durch die Einstellung von 200 Steuerprüfern den Landesetat um 1,2 Milliarden bereichern, so Kozicki. Außerdem müssten Unternehmen wieder mehr Steuern zahlen.

Familien

Hier wird gespart: Kitas bekommen 40 Prozent weniger Sachausstattung, das Land spart 72 Millionen Euro ein. Außerdem werden Defizite bei den Elternbeiträgen nicht mehr ausgeglichen. Der Haushalt für Familienpflegedienste wird um die Hälfte gekürzt, die Familienbildung und -beratung muss auf 20 bzw. 16 Prozent der Landeszuschüsse verzichten.

Die Folgen: „Kindertagesstätten sind von Schließungen bedroht“, so der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in NRW, Uwe Becker. Eltern mit mittlerem Einkommen werden zwischen 20 und 30 Prozent mehr Beiträge zahlen müssen.

Die Alternativen: „Ich stelle einen klaren Vertrauensbruch der Schwarz-Gelben fest: Sie haben sich ausdrücklich der Familienfreundlichkeit verschrieben“, so Becker. Deshalb wollen die Wohlfahrtsverbände ihre 2003-Kampagne „NRW, bleib sozial“ neu zum Leben erwecken.

Krebsberatung

Hier wird gespart: 2005 hat noch jede der 17 unabhängigen Krebsberatungsstellen 5.000 Euro bekommen. Die fallen nun weg.

Die Folgen: „Es gibt weniger Patientenberatung“, so Helga Ebel von der Landesarbeitsgemeinschaft der Beratungsstellen. Die Zusammenarbeit der Stellen werde sich verschlechtern.

Die Alternativen: „Die Landesregierung muss alle geförderten Gesundheits-Programme auf ihre Qualität und Ergebnisse abklopfen, etwa die Ernährungskampagnen“, so Ebel. Viele der Programme seien sinnlos. Außerdem solle die Förderung von Lobby-abhängigen Selbsthilfegruppen eingestellt werden.

Frauenhäuser

Hier wird gespart: Bislang zahlte die Landesregierung den 62 nordrhein-westfälischen Frauenhäusern die Personalkosten für je vier Arbeitsplätze. Dieses Geld wird um 30 Prozent gekürzt.Die Folgen: „Ungefähr jede vierte Beschäftigte muss gekündigt werden“, sagt Marion Steffens von der Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser in NRW. Deshalb werden die Frauenhäuser auch die Betten und die Betreuungsangebote für misshandelte Frauen kürzen müssen.

Die Alternativen: „Überall im sozialen Bereich wird stark gekürzt. Dadurch entstehen soziale Probleme, die irgendwann auch viel öffentliches Geld kosten. Man sollte stattdessen vielleicht den einen oder anderen Flughafen nicht ausbauen.“

Lesben- und Schwulenarbeit

Hier wird gespart: Für die Akzeptanzförderung gleichgeschlechtlicher Lebensformen gibt die Landesregierung 2006 fast 38 Prozent weniger aus. Künftig erhalten die Schwulen- und Lesbenverbände rund 408.000 Euro.Die Folgen: „Es wird deutlich weniger Projekte geben“, sagt Arnulf Sensenbrenner, Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbands in NRW. „Dadurch wird die Toleranz in der Bevölkerung sinken und die Zahl der Übergriffe auf Homosexuelle steigen.“Die Alternativen: „Es ist eine politische Entscheidung, gerade bei uns so stark zu sparen. Dadurch, dass die Regierung die Kohlesubventionen nicht dem gestiegenen Marktpreis anpasst, spart sie Geld. Geld, das wir brauchen.“

Ernährungsforschung

Hier wird gespart: Das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund bekommt 218.000 Euro weniger. Das sind 20 Prozent der bisherigen Förderung.Die Folgen: Von dem Geld wurden vier Wissenschaftlerstellen des Instituts bezahlt. „Da es insgesamt nur 4,5 wissenschaftliche Stellen gibt, wird wahrscheinlich das ganze Institut geschlossen“, sagt Anja Kroke, stellvertretende Institutsleiterin. Das Forschungsinstitut ist bundesweit die einzige Stelle, die sich mit der Ernährung gesunder Kinder beschäftigt. „Ernährungsbedingte Krankheiten nehmen zu. Ohne uns entsteht eine Forschungslücke“, sagt Kroke.Die Alternative: „Vielleicht muss tatsächlich überall gespart werden. Wir hätten wahrscheinlich andere Finanzmöglichkeiten gefunden, wenn wir eher von dieser Kürzung gewusst hätten.“ MIRIAM BUNJES
UND NATALIE WIESMANN